Bessere Nachsorge bei Patient*innen mit Blut- und Lymphdrüsenkrebs

Mitglieder des Projektteams der Hochschulmedizin Dresden, v.l.n.r.: Dr. Katharina Egger-Heidrich, Dr. Jan Moritz Middeke, Gabriele Müller, Prof. Martin Bornhäuser. / © Uniklinikum Dresden/Gabriele Bellmann
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Ein sachsenweites Konsortium unter Leitung des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden erforscht, wie sich die Nachsorge bei Patientinnen und Patienten mit Blut- und Lymphdrüsenkrebs verbessern lässt, die mit einer Stammzelltransplantation oder CAR-T-Zell-Therapie behandelt wurden.

Nach der komplexen Therapie, die nur an wenigen großen Zentren erfolgen kann, besteht ein hohes Risiko für lebensgefährliche Komplikationen. Eine intensivierte und strukturierte Nachsorge, die alle relevanten Akteure vernetzt und digitale Anwendungen einbezieht, soll insbesondere Betroffenen in ländlichen Regionen eine engmaschigere Symptomkontrolle und schnellere Hilfe ermöglichen. Ziel ist es, die Komplikations- und Todesraten deutlich zu senken und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Das Konsortialprojekt wird aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 4,1 Millionen Euro gefördert. Beteiligt sind alle sächsischen hämato-onkologischen Zentren (Uniklinikum Dresden, Uniklinikum Leipzig, Klinikum Chemnitz), die Krankenkasse AOK PLUS sowie der Verein zur Qualitätssicherung in der hämatologischen Diagnostik (QHD e. V.). Maßgeblich beteiligt sind außerdem das Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung der Hochschulmedizin Dresden und das Institut für Medizinische Informatik und Biometrie der TU Dresden.

Innovative Zelltherapien haben bei Patientinnen und Patienten mit Blut- oder Lymphdrüsenkrebs in den vergangenen Jahren zu deutlich verbesserten Heilungschancen geführt. Allerdings liegt die Sterblichkeit nach einer Transplantation allogener (fremder) Blutstammzellen oder nach einer Immuntherapie mit genetisch veränderten CAR-T-Zellen bei bis zu 50 Prozent. Hierbei spielen potentiell lebensbedrohliche Komplikationen – wie Infektionen, Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion und Rückfälle der Krebserkrankung – eine wichtige Rolle. Durch ihre frühe Erfassung und Behandlung ließe sich ein schwerer Verlauf häufig vermeiden.

Hier setzt das Projekt SPIZ (Sektorenübergreifende Versorgung von Patient:innen mit hämatologischen Erkrankungen nach innovativer Zelltherapie) an, das darauf abzielt, allen Betroffenen in Sachsen, ungeachtet ihres Wohnortes, eine optimale Nachsorge zu ermöglichen. Denn allogene Stammzelltransplantationen werden in Sachsen nur an den drei am Projekt beteiligten hämato-onkologischen Zentren durchgeführt, die Uniklinika Dresden und Leipzig sind zudem sachsenweit die einzigen CAR-T-Zell-Therapie-Zentren. Das Einzugsgebiet beträgt bis zu 200 Kilometer, was regelmäßige ambulante Vorstellungen in der Nachsorge erschwert.

„In Studien sind die Ergebnisse der innovativen Zelltherapien deutlich besser als in der Routineversorgung, was nicht zuletzt an einer effektiven Nachsorge liegen dürfte. Unser Anspruch ist es, dieses Potential der Therapien in die Versorgungsrealität vor allem im ländlichen Raum zu übertragen“, erklärt Prof. Martin Bornhäuser, Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Dresden und Mitglied im geschäftsführenden Direktorium des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC).

Innovatives Nachsorgeprogramm mit Hausbesuchen und digitalen Elementen

Im Rahmen des Projekts werden die möglichen Vorteile eines innovativen Nachsorgeprogramms überprüft, das in enger Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Patientenschaft, der Selbsthilfe und der Pflege entwickelt wurde. Das Programm sieht in Ergänzung zu ambulanten Vorstellungen Video-Sprechstunden vor, um eine schnelle Abklärung von Symptomen zu ermöglichen und lange Anfahrtswege zu reduzieren. Zudem kommt eine „Onko-Nurse“ in regelmäßigen Abständen zu Hausbesuchen, kann den Zustand der Betroffenen vor Ort beurteilen, Blut abnehmen, Angehörige beraten und den Unterstützungsbedarf im häuslichen Umfeld einschätzen. In einer speziellen App dokumentieren die Patientinnen und Patienten kontinuierlich Symptome und weitere wichtige Parameter. Die Daten werden an fünf Tagen pro Woche von onkologischen Fachpflegekräften ausgelesen und bei Auffälligkeiten dem ärztlichen Personal vorgelegt. Regelmäßige Online-Fallkonferenzen ermöglichen die enge Zusammenarbeit aller in die Patientenversorgung eingebundenen Akteure, u. a. aus den Bereichen Sozialarbeit, Psychoonkologie, der niedergelassenen Ärzteschaft und den onkologischen Zentren. Bei Fragen und Problemen können sich die Patientinnen und Patienten jederzeit an speziell geschulte Case-Managerinnen und -Manager wenden, die zudem alle Termine sowie die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren koordinieren.  

Erwartete Kosteneffizienz und bundesweite Relevanz

In das Projekt eingeschlossen werden 302 Patientinnen und Patienten aus den drei beteiligten sächsischen Zentren. Nach dem Zufallsprinzip erhält die Hälfte von ihnen eine intensivierte Nachsorge, die andere Hälfte wird wie bisher mittels regelmäßiger ambulanter Vorstellungen über die entsprechende Hochschulambulanz und bei niedergelassenen Fachärzten versorgt.

Trotz der intensiveren Betreuung im innovativen Nachsorgeprogramm gehen die Projektpartner davon aus, dass das Konzept auch zur Kostenreduktion beiträgt. „Wir erwarten, dass aufgrund der verbesserten Nachsorge weniger notfallmäßige Krankenhauseinweisungen erfolgen, die mit erheblichen Kosten verbunden sind. Zum anderen können durch Video-Sprechstunden lange und teure Anfahrten reduziert werden, die in der Regel per Taxi erfolgen, da die Betroffenen aufgrund von Medikation und Abwehrschwäche zumeist weder öffentliche Verkehrsmittel noch das eigene Auto nutzen können“, erklärt Dr. Jan Moritz Middeke von der Medizinischen Klinik I des Uniklinikums Dresden und Forschungsgruppenleiter am Else Kröner Fresenius Zentrum für Digitale Gesundheit (EKFZ). „Die Förderung in dieser kompetitiven Ausschreibung unterstreicht die Expertise am Standort Dresden im Bereich der onkologischen Forschung und Versorgung von Patienten mit innovativen Krebstherapien“.

Die AOK PLUS begleitet das Projekt aktiv und stellt Abrechnungsdaten zur Verfügung. Alle Auswirkungen des Projektes auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität der teilnehmenden Patientinnen und Patienten sowie die entstehenden Kosten werden kontinuierlich durch das Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) erfasst und evaluiert. Bei positiver Evaluation soll die im Projekt vorgeschlagene Versorgungsform dauerhaft in die Regelversorgung der Krankenversicherungen überführt werden. Die sachsenweit erfolgende Untersuchung hat hierbei Modellcharakter für fast alle Regionen in Deutschland. Denn zelltherapeutische Verfahren sind jeweils großen Zentren vorbehalten mit entsprechenden Nachteilen für Patientinnen und Patienten in ländlichen Regionen. „Wir freuen uns, als Dresdner Hochschulmedizin das wichtige Anliegen einer verbesserten Nachsorge gemeinsam mit zahlreichen Partnern federführend voranzutreiben. Das Potential innovativer Therapien zum Wohl unserer Patientinnen und Patienten voll auszuschöpfen, ist uns ein großes Anliegen“, betont Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus.

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