Mini-Spiralen verschließen Blutgefäße

Professor Dr. med. Ralf-Thorsten Hoffmann / Foto: Marc Eisele - UKD MRZ-ZMM
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Radioaktives Holium-166 erstmals zur Krebsbekämpfung eingesetzt / Mit Prof. Ralf-Thorsten Hoffmann, Bereichsleiter Interventionelle Radiologie am UGC Dresden im Gespräch über neue Behandlungsmethoden

Als der Radiologe Professor Ralf-Thorsten Hoffmann im Dezember 2016 einem Patienten mit einer im Durchmesser nur 2 Millimeter großen Spirale eine kleine Arterie verschloss, um eine Blutung zu verhindern, stellte dies eine Weltpremiere dar. Inzwischen wird die Methode nicht nur am Universitäts­klinikum Carl Gustav Carus in Dresden praktiziert, sondern auch in sechs bis acht weiteren universitären Kliniken Deutsch­lands. In welchen Fällen die auch Mini-Coils genannten Verschlüsse zum Einsatz kommen und welche Vorteile sie gegenüber bisher angewandten Verfahren bieten, erfuhr das Top Gesundheitsforum im Gespräch mit Professor Hoffmann, Leiter des Bereichs Interventionelle Radiologie am Universitäts GefäßCentrum (UGC), stellvertretender Direktor und leitender Oberarzt am Institut für Radiologische Diagnostik.

Wie muss man sich eine Behandlung mit diesen Mini-Spiralen vorstellen, woraus bestehen sie und wer hat sie entwickelt?
Professor Ralf-Thorsten Hoffmann: Coils als Abdichtungen für Blutgefäße gibt es schon länger, allerdings mit weitaus größeren Maßen. Zum Teil werden sie mit Baumwollfasern versehen, welche vor Ort eine Blutgerinnung verursachen und so das Gefäß dauerhaft verschließen. Natürlich sind die Ein­satzmöglichkeiten für derartige Verschlüsse begrenzt. Über mehrere Jahre hinweg befassten sich deshalb Mediziner und Techniker mit der Weiterentwicklung der Coils. Ich selbst habe rund zwei Jahre daran mitgewirkt. Aufgabe war es, die Spiralen so klein zu machen, dass sie mittels Katheter an der gewünschten Stelle – und vor allem auch in sehr kleine Gefäße – platziert werden können. Die nun verfügbaren Mini-Spiralen bestehen aus Platin und sind im Kern mit einem Hydro-Gel versehen, das im Gefäß aufquillt. Mittels Katheter über die Leiste oder die Armschlagader gelangen die Spiralen auch in sehr kleine Gefäße. Mit einem Stromstoß werden die Spiralen an der vorher exakt bestimmten Stelle abgelöst und verhindern dann auf Dauer dort den Blutfluss. Das richtige Platzieren der Coils erfordert freilich viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Unser Team besteht inzwischen aus fünf Interventions­radiologen, die rund um die Uhr zur Verfügung stehen, um derartige Eingriffe auch in Notfällen vorzunehmen.

Bei welchen Erkrankungen profitieren die Patienten vom Einsatz dieser Mini-Spiralen?
In erster Linie sind es schwerstkranke Krebspatienten, die auf diese Weise für eine Radioembolisation, auch Selektive Interne Radio-Therapie bzw. kurz SIRT genannt, vorbereitet werden. Beispiel Leberkrebs. Mit dem radioaktiven Isotop Yttrium-90 versehene Partikel sollen per Katheter gezielt in die Tumore und Metastasen eingeschleust werden und das kranke Gewebe zerstören. Während das gesunde Gewebe der Leber vorrangig über die Pfortader mit Blut versorgt wird, beziehen die kranken Wucherungen dies über die sogenannte arterielle Strombahn. Aus den Arterien, die Leber und damit auch den Tumor versorgen, zweigen häufig weitere Gefäße ab, die unter anderem die Bauchspeicheldrüse und den Magen mit Blut versorgen. Beide Organe würden durch die radioaktiven Isotope stark geschädigt. Um das zu verhindern, blockieren die Mini-Spiralen die Abzweige. Für die so teilweise von der Blutversorgung abgeschnittenen Organe ist das unproblematisch. Andere Arterien übernehmen die Blutzufuhr. Es ist selbstverständlich, dass wir in solchen Fällen eng mit den Nuklearmedizinern zusammenarbeiten. In Tumorboards genannten Beratungen mit den jeweiligen Fachärzten wird für jeden Patienten nach der individuell erfolgversprechendsten Therapie gesucht. In der Regel müssen vor einer SIRT etwa zwei bis neun Spiralen gesetzt werden, um die Gefäße zu verschließen. Ist das geschehen, wird ein Test auf Dichtheit durch die Gabe einer radioaktiven Testsubstanz vorgenommen. Etwa zehn Tage später erfolgt dann die maßgeschneiderte Therapie mit dem Isotop. Dank der SIRT gewinnen die Krebspatienten bis zu zwei Jahre Lebenszeit. Jedoch finden die Mini-Spiralen auch Anwendung, um anders nicht oder nur schwer zu behandelnde Blutungen zu stoppen: nach Unfällen ebenso wie bei anderen Gefäßer­krankungen. Dennoch werden etwa 60 Prozent der Einsätze bei Tumor­patienten vorgenommen, die auf diese Weise schonend therapiert werden können. Insgesamt rechnen wir im Jahr mit rund 100Patienten, denen wir mit dieser Methode helfen können.

Bevor Sie im Januar 2011 an das Uniklinikum Dresden kamen, haben Sie an der Ludwig Maximilians Universität Mün­chen-Großhadern nicht nur als Gefäßspezialist, sondern auch als Therapeut inoperabler Tumorarten gearbeitet und die dabei eingesetzte Radiofrequenzablation weiterentwickelt. Mit diesen Erfahrungen erweiterten Sie das Spektrum der Inter­ventionellen Radiologie am Dresdner Uniklinikum. Die Medizinische Fakultät richtete Ihnen für dieses Spezialgebiet eine Professur ein. Wie läuft eine Radiofrequenzablation ab und was ist ihr Ziel?
Die Radiofrequenzablation ist ein Verfah­ren, bei dem ansonsten nicht zu operierendes Krebs­gewebe mit hochfrequentem Strom regelrecht verkocht wird. Ich habe mich dabei vor allem auf Lebertumore spezialisiert. Mit Hilfe der Röntgen­technik platziere ich durch einen Schnitt von maximal ein Zentimeter Länge eine Sonde mitten im Tumor. Die Gabe von Wechselstrom mit 450 bis 750 Kilohertz bewirkt eine Erhitzung von über 100 Grad Celsius in dem kranken Gewebe, das dadurch zerstört wird. Das Verfahren ist für den Patienten schonend, denn dank des geringen Durchmessers der Sonden von unter zwei Millimeter und fehlender Wechselwirkung mit anderen Geweben ist die Kompli­kationsrate sehr gering. Doch die Interventionelle Radiologie ist nicht auf die Behandlung von Krebspatienten beschränkt. Sie umfasst auch die Embolisation, bei der beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Gynäkologie Partikel in gutartige Wucherungen in der Gebär­mutter, sogenannte Myome, eingeschleust werden und diese zum Absterben bringen. Auch in der Orthopädie spielt die Inter­ventionelle Radiologie inzwischen eine große Rolle, beispielsweise in der Schmerzbekämpfung bei Wirbelsäulen­erkrankungen durch das Verabreichen von Medikamenten mittels röntgenkontrollierter Injektion an entzündete Nerven­enden. Hier am Dresdner Uniklinikum sind wir Radiologen deshalb Partner zahlreicher Fachgebiete.

Stichwort Forschung. Mit welchen Aufgabenstellungen sind Sie da momentan befasst?
Erst vor wenigen Wochen konnten wir wieder eine Weltpremiere bekannt geben. Nach der klinischen Erprobung an der Uniklinik in Utrecht haben wir gemeinsam mit den Nuklearmedizinern um Professor Jörg Kotzerke den ersten Patienten im Rahmen der klinischen Routine eines Radio­embolisationsverfahrens mit Holium-166 behandelt. Auch in diesem Fall ging es um die Zerstörung von Leber­metastasen. Das radioaktive Holium-166, das ein Metall aus der Gruppe der Seltenen Erden ist, weist gegenüber dem ansonsten verwendeten Yttrium-90 potenziell weitere Vorteile auf. Die Verteilung der Kügelchen lässt sich besser kontrollieren und wir versprechen uns davon, dass wir Krebszellen so besser behandeln können. Außer­dem sind die mit Holium-166 versehenen Kügelchen, die eine Größe von 20 bis 30 Mikrometern aufweisen und durch die Arterien an Ort und Stelle gebracht werden, sowohl im nuklearmedizinischen Standardverfahren SPECT als auch im MRT gut sichtbar. Das erhöht die Behandlungssicherheit. Jetzt und in Zukunft geht es darum, zusammen mit den Nuklearmedizinern weitere Erfahrungen zu sammeln. Auch wird zu ergründen sein, ob schwer zu therapierende Leber­metastasen anderer Tumore für die Radioembolisation mit Holium-166 infrage kommen. Darüber hinaus befasse ich mich weiterhin mit den Mini-Spiralen und den Möglichkeiten ihres Einsatzes.

Die Interventionelle Radiologie und da besonders die Tumorbekämpfung sind Schwerpunkte Ihrer Tätigkeit. Sie sind aber auch leitender Oberarzt, Lehrender an der Fakultät, Ge­fäß­spezialist und als Geschäftsführender stellvertretender Direktor des UniversitätsGefäßCentrum (UGC) mit administrativen Aufgaben bedacht. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Es ist zweifellos das besondere Klima eines Universitätsklinikums, das ein interdisziplinäres Zusam­menarbeiten über Klinik- und Institutsgrenzen hinweg problemlos ermöglicht. Das empfinde ich auch hier in Dresden als sehr angenehm. Ich schätze es, dass ich den Großteil meiner Zeit nicht nur als interventionell, sondern auch als diagnostisch tätiger Radiologe für die Patienten dasein kann. Neben der Tumor­therapie geht es um das Freimachen von verschlossenen Gefäßen, das Setzen von Stents und ähnliche Dinge. Mir bleibt aber auch genügend Raum, um gemeinsam mit Kollegen Themen von Forschung und Entwicklung voranzubringen. Dass administrative Arbeiten zu meinen Pflichten gehören, ist selbstverständlich. Ich fühle mich in Dresden wohl, was auch für meine Familie gilt.

https://www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/universitaetscentren/ugc

Interview: Regine Hauswald-Tezky

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