Protonentherapie auf Wachstumskurs

Prof. Mechthild Krause, Leiterin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus in Dresden / Foto: NCT Dresden/Philip Benjamin
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Im Gespräch mit Professor Dr. med. Mechthild Krause, Leiterin der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus in Dresden

Seit November 2016 leitet Prof. Mechthild Krause die Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus in Dresden. Die gebürtige Görlitzerin hatte als Leiterin der Universitäts Protonen­Thera­pie Dresden (UPTD), Direktorin des OncoRay-Zentrums und des Instituts für Radioonkologie – OncoRay des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf aber auch schon vorher entscheidenden Anteil daran, dass die Protonentherapie weiter verbessert und das Potenzial der noch recht jungen Bestrah­lungs­metho­de weiter ausgelotet wird. So können immer mehr Patien­ten am Uniklinikum von der Protonentherapie profitieren. Dresden ist eine von deutschlandweit nur drei universi­tären Einrichtungen, in denen Tumoren mit dem innovativen Verfah­ren behandelt werden. Neben der Behandlung ihrer Patienten fühlt sich Prof. Mecht­hild Krause seit jeher der Wissenschaft verpflichtet. Sie forschte unter anderem an der University of Toronto und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg. Für ihre Leistun­gen wird sie im Kollegenkreis geschätzt, was sich auch in der Verleihung zahlreicher Auszeichnungen für ihre Arbeit äußert. Im Interview mit dem Top Gesundheitsforum klärt Prof. Mechthild Krause über die Chancen der Protonen­be­strahlung für die Krebstherapie auf.

Was sind die Vorteile der Protonentherapie gegenüber der konventionellen Photonen-Strahlentherapie?
Professor Dr. med. Mechthild Krause: Anders als bei der konventionellen Strahlentherapie wird der Tumor bei der Pro­tonen­therapie nicht mit hochenergetischen elektromagnetischen Wellen be­strahlt, sondern mit positiv geladenen Atomkernen des Ele­ments Wasserstoff. Ein Vorteil dieser Teilchen ist, dass sie bei richtig gewählter Ausgangsenergie erst im Tumor den größten Teil ihrer Energie abgeben und kurz darauf zum Still­stand kommen. Man erreicht also eine sehr hohe Dosis im Tu­mor, schont aber das dahinter liegende, gesunde Gewebe.

Kann man also sagen, dass die Partikelstrahlung zielgenauer ist?
Ja. Im Moment nutzen wir diese Prä­zision vor allem, um gesundes Gewebe zu schonen. Später, wenn wir ausreichend Daten durch Studien gesammelt haben, möchten wir dazu übergehen, besonders aggressive Tumoren mit höheren Dosen zu bestrahlen. Dies ist mit der herkömmlichen Strahlentherapie oft nicht möglich.

Die Protonentherapie ist eine relativ junge Methode. Es steht noch viel Forschungsarbeit bevor. Wie sehen die An­wen­dungsmöglichkeiten heute konkret aus?
Es gibt im Moment nur wenige Tumor­arten, bei denen die Protonenbestrahlung als Routine­therapie anerkannt ist. Das sind beispielsweise Hirntumoren bei Kin­dern oder bestimmte Tumoren der Schädelbasis. Für viele weitere Tumorarten wird derzeit in klinischen Studien getestet, ob die Protonentherapie einen Vorteil gegenüber der herkömmlichen Strahlentherapie bringt und etwa zu weniger Neben­wirkungen führt.

Welche Ergebnisse erwarten Sie sich von den Studien?
Wir erwarten, dass zukünftig bis zu 20 Pro­zent der Strahlentherapie-Patienten von der Protonen­be­handlung profitieren können. Das sind voraussichtlich Pa­tienten mit verschiedenen Tumorarten, die eine Aussicht auf Heilung haben, und für die daher eine Behandlung mit hohen Strahlendosen vertretbar ist. Die Studien werden allerdings erst in etwa zehn bis zwanzig Jahren abgeschlossen sein.

Was spricht dagegen, die Protonentherapie künftig noch stärker auszuweiten?
Die klassische Strahlentherapie ist langfristig erforscht und wurde in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Auch hier können wir heute viele Neben­wirkungen vermeiden, die früher noch aufgetreten sind. Da die Pro­to­nentherapie teurer als die herkömmliche Strahlen­thera­pie ist, müssen Studien die Vorteile einer Protonen­be­handlung klar aufzeigen, damit die Kassen die Kosten auch übernehmen. Es gibt auch Tumorarten, bei denen die Bestrah­lung mit Protonen besonders schwierig ist, etwa bei Lungen­tumoren, die sich durch die Atmung stark bewegen. Da wir mit Protonen sehr exakt bestrahlen, müssen wir auch besonders sicher sein, dass wir unser Ziel nicht verfehlen. Gerade bei bewegten Tumoren ist noch viel Forschungsarbeit nötig.

Ist es denn technisch überhaupt möglich, eine solche Be­wegung einzufangen?
Ja. Wir können zum Beispiel Com­pu­ter­tomographie-Bilder in verschiedenen Atmungssituatio­nen erstellen. Damit lässt sich die Planung der Bestrahlung für jede Lage des Tumors anpassen. Es gibt aber inzwischen auch An­sätze, bei denen die Bestrahlung nur dann erfolgt, wenn sich der Tumor in einer bestimmten Position befindet. Bei der herkömmlichen Strahlentherapie ist es mit bestimmten Ge­räten in einigen Fällen sogar möglich, die Tumorbewegung während der Bestrahlung mit zu vollziehen. Solche Ansätze versucht man natürlich auf das Gebiet der Protonentherapie zu übertragen.

Ein wichtiger Faktor sind auch die bereits erwähnten Kosten der Protonentherapie.
Ja, deshalb arbeiten wir am OncoRay-Zentrum gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf an einem Forschungsschwerpunkt, der genau dieses Thema betrifft. Wir untersuchen, ob sich die Protonen statt mit einem herkömmlichen Ringbeschleuniger auch mit einem Laser beschleunigen lassen. Dies wäre platzsparender und kos­ten­günstiger. Im Moment ist die Technik noch Zukunftsmusik, künftig könnten Laser aber außer für Protonen auch für andere Teilchenstrahlungen eingesetzt werden.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Kranken­kassen?
Sehr gut. Mit der AOK Plus und den Ersatz­kassen haben wir Verträge, die es uns erlauben, relativ viele Tumorarten mit Protonen zu behandeln – unter der Voraus­­setzung, dass wir in Studien Daten sammeln, um das Wissen zur Protonentherapie weiter voranzubringen.

Dresden ist seit 2015 neben Heidelberg Standort des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT). Auf dem Gelände des Uniklinikums Dresden entsteht bis 2019 ein NCT-Neubau. Welche Potenziale ergeben sich hieraus für Ihre Arbeit?
Der Kern des NCT ist die enge Ver­knüp­fung von Forschung und Krankenversorgung. Im NCT-Neubau sollen unter einem Dach Patienten behandelt werden und Ärzte und Wissenschaftler der Trägereinrichtungen Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), Universitäts­klinikum und Medizinische Fakultät der TU Dresden sowie des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf an neuen Krebs­thera­pien forschen. In dem Gebäude wird auch ein neuer Be­reich für die Strahlentherapie entstehen. Ein großes Plus des NCT ist auch, dass es die fachübergreifende Zusammenarbeit vieler Ärzte und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Onkologie voranbringt. Gerade Forschungsanstrengungen über die Gren­zen einzelner Disziplinen hinweg können uns im Kampf gegen Krebs unterstützen.

https://www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/kliniken-polikliniken-institute/str/kontakt/kontakt.2009-03-16.1080802848

http://www.oncoray.de/

www.uniklinikum-dresden.de

Interview: Philipp Demankowski

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