Schalter für Zuckertransport ins Gehirn entdeckt

Prof. Dr. Matthias Tschöp und Dr. Cristina García Cáceres / Foto: Foto: © Helmholtz Zentrum München
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Unser Gehirn holt sich Zucker durch einen aktiven Prozess aus dem Blut. Das haben jetzt Diabetesforscher des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München entdeckt. Bisher ging man davon aus, dass es sich dabei um einen rein passiven Vorgang handelte.

Unsere Gesellschaft steht durch den rapiden Anstieg von Übergewicht und der damit verbundenen Verbreitung von Typ-2-Diabetes vor einer enormen Herausforderung. Immer noch fehlt es an effizienten und sicheren Medikamenten, um diese Entwicklung aufzuhalten. Dies liegt vor allem daran, dass die Mechanismen des Zucker- und Energiestoffwechsels immer noch völlig unzureichend erforscht sind.

Ein Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Matthias Tschöp, Direktor des Helmholtz Diabetes Zentrums (HDC) und der Abteilung für Stoffwechselerkrankungen an der Technischen Universität München, erforscht, wie Schaltzentralen im Gehirn unseren Stoffwechsel fernsteuern, um ihn optimal auf unsere Umwelt einzustellen. Das Hirn ist das Organ mit dem höchsten Zuckerverbrauch im Körper und kontrolliert unser Hungergefühl. „Wir vermuteten deswegen, dass es bei so einem wichtigen Vorgang, wie der Versorgung des Gehirns mit ausreichend Zucker, nicht um einen zufälligen Prozess handeln konnte“, sagt Dr. Cristina García Cáceres, Neurobiologin am HDC und Erstautorin der Studie. „Lange Zeit ließen wir uns davon in die Irre führen, dass Nervenzellen diesen Prozess offensichtlich nicht kontrollieren. Dann hatten wir die Idee, dass die sogenannten Astrozyten, die man bisher als weniger wichtige ‚Stützzellen‘ missverstanden hatte, vielleicht etwas mit dem Zuckertransport ins Gehirn zu tun haben könnten.” Die Wissenschaftler untersuchten deshalb zunächst die Aktivität von Insulinrezeptoren auf der Oberfläche der Astrozyten, also jenen Strukturen, über die Insulin Einfluss auf Zellen nimmt. Dabei stellten sie fest, dass beispielsweise Mäuse, denen dieser Rezeptor auf bestimmten Astrozyten fehlte, eine deutlich geringere Aktivität in Nervenzellen aufwiesen, die die Nahrungsaufnahme zügeln. Gleichzeitig hatten solche Mäuse Schwierigkeiten, ihren Stoffwechsel anzupassen, wenn sich die Zuckerzufuhr änderte. Mit Hilfe bildgebender Methoden konnten die Wissenschaftler dann zeigen, dass Hormone wie Insulin und Leptin an Stützzellen wirken, um die Aufnahme von Zucker ins Gehirn zu regulieren. Ohne Insulinrezeptoren zeigten die Astrozyten vor allem im Bereich der Appetitzentralen im sogenannten Hypothalamus entsprechend schlechtere Transportraten von Glukose ins Gehirn.

„Unsere Ergebnisse zeigen erstmals, dass essentielle Stoff­wechsel- und Verhaltensprozesse nicht nur über Nerven­bahnen reguliert werden, sondern dass auch andere Zelltypen wie Astrozyten, hier eine entscheidende Rolle spielen“, so Studienleiter Matthias Tschöp, der am Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) den Forschungsbereich „Thera­peutic Approaches“ leitet. „Das stellt einen Paradigmen­wechsel dar und könnte ein Grund dafür sein, dass sich die Entwicklung neuer Medikamente für Diabetes und Adipositas bisher so schwierig gestaltete.“ Um das alte Modell der Kon­trolle von Nah­rungs­aufnahme und Körperstoffwechsel durch Nervenzellen im Ge­hirn jetzt durch ein Konzept zu ersetzen, bei dem auch Astrozyten und eventuell sogar Immunzellen des Gehirns eine wichtige Rolle spielen, müssen allerdings zahlreiche neue Stu­dien auf den Weg gebracht werden, so die Wissenschaftler.

Helmholtz Zentrum München
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Diabetes und Adipositas
www.helmholtz-muenchen.de

Text: Philipp Demankowski

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