Natürliche Killerzellen enthalten potentes Gift gegen Tumore

Dr. Georg Gdynia, Klinische Kooperationseinheit für Molekulare Tumorpathologie des DKFZ und des Universitätsklinikums Heidelberg / Foto: © Universitätsklinikum Heidelberg
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Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums haben entdeckt, dass ein Eiweiß aus Immunzellen die Energieversorgung in Tumorzellen lahmlegt.

Den potentiellen neuen Wirkstoff fanden die Wissen­schaftler der Klinischen Kooperationseinheit des DKFZ und des Universitätsklinikums um Dr. Georg Gdynia und Professor Dr. Wilfried Roth sogenannten Natürlichen Killer­zellen. Stoßen diese bei ihren Patrouillen im Körper auf Tumorzellen, injizieren sie ihnen – vorausgesetzt, sie erkennen sie als solche – einen tödlichen Protein-Cocktail. Die Patho­logen identifizierten in diesem Giftgemisch das sogenannte High Mobility Group Box 1 (HMGB1)-Protein als höchst effektive, natürliche Waffe gegen Krebs: Es legt einen Mecha­nismus der Energiegewinnung lahm, der in der Regel von Tumorzellen und nicht von gesunden Körperzellen genutzt wird. Diese Form des „Zellmordes“ durch das Immunsystem war bisher noch nicht bekannt. Gemeinsam mit Kollegen des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien (HITS) und des Anorganisch-Chemischen Instituts der Universität Hei­del­berg haben die Wissenschaftler ihre Ergebnisse nun erstmals in der Fachzeitschrift Nature Communications beschrieben. Nachdem es den Heidelberger Forschern gelungen war, das entscheidende Protein aus dem Gemisch herauszufiltern, zeigte sich in Versuchen mit Tumorzellen, dass es deutlich mehr kann als nur die Immunantwort zu verstärken: Es unterbricht einen wichtigen Stoffwechselweg, über den Tumorzellen den Zucker Glucose abbauen und so Energie gewinnen. Sämtliche molekularen Prozesse der Zellen kommen zum Erliegen. Um die Wirkung auf komplette Tumoren zu testen, stellte die Arbeitsgruppe größere Mengen des HMGB1-Proteins her: Sie regten Killerzellen von gesunden Blutspendern zur Frei­set­zung des Proteins an. In den mit HMGB1 behandelten Mäusen schrumpften angewachsene Dickdarmtumoren oder verschwanden sogar ganz.

„Immuntherapien zielen in der Regel darauf ab, das Immunsystem darin zu unterstützen, die Krebszellen besser zu erkennen und zu bekämpfen. Eine Therapie mit HMGB1 hätte den Vorteil, dass sie zwar die Waffen des Immunsystems nutzt, aber nicht von dessen Funktionsfähigkeit abhängt und trotzdem sehr selektiv gegen Krebszellen wirkt“, so Gdynia. Die Gewinnung des Proteins ist sehr diffizil, denn man muss das richtige erwischen: „Die Wirkung von HMGB1 war bisher so wenig greifbar, weil es unzählige verschiedene Varianten gibt, die sich zwar nur minimal unterscheiden, aber trotzdem andere Aufgaben erfüllen“, so der Pathologe. Nur HMGB1 aus den Granula der Killerzellen kann Tumoren töten, HMGB1 aus dem Kern der Zellen nicht. Auch mit Hilfe von Bakterien erzeugtes menschliches HMGB1 erzielt nicht dieselbe starke Wirkung. Die Arbeitsgruppe meldete das für ihre Forschung entwickelte Verfahren zur Gewinnung des Proteins aus Killerzellen sowie das neue Therapiekonzept zum Patent an. Ziel ist es, eine neue Therapieform für Krebspatienten zu entwickeln.

Für seine Entdeckung ist Dr. Georg Gdynia von der Deut­schen Gesellschaft für Pathologie (DGP) bei ihrer 100. Jah­res­tagung in Berlin im Mai 2016 mit dem Novartis-Preis ausgezeichnet worden. Gdynia teilt sich den von der Firma Novartis Oncology gestifteten und mit 10.000 Euro dotierten Preis zu gleichen Teilen mit dem Biochemiker Dr. Jan Pencik von der Medizinischen Universität Wien.

Universitätsklinikum Heidelberg: www.klinikum.uni-heidelberg.de
Deutsches Krebsforschungszentrum: www.dkfz.de
Deutsche Gesellschaft für Pathologie e.V.: www.pathologie-dgp.de

Text: Philipp Demankowski

 

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