Dresden: Wiege der Prävention und Rehabilitation

Bilz-Sanatorium, Foto: Dr. Jörg Blobelt
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Maßnahmen, die Menschen helfen, wieder auf die Beine zu kommen und jene, die dafür sorgen, dass sie gesund bleiben, sind oft gar nicht so verschieden. Rehabilitation und Prävention arbeiten mit ähnlichen Methoden, auch wenn sie in unterschiedlichen Phasen eines Krankheitsverlaufs zum Einsatz kommen. Die Region Ostsachsen und Dresden kann eine lange Tradition in beiden Bereichen vorweisen. Zahlreiche prominente Namen mit unterschiedlichen Ansätzen finden sich in der Geschichte der Disziplinen.

Bei allen gegenwärtigen gesellschaftlichen Differenzierungen, die unser Miteinander manchmal so schwer erträglich machen, sollte doch bei einer Sache ein Konsens bestehen: Die Gesundheit ist unser größtes Gut. Dass das so bleibt, dafür gibt es sowohl die Prävention als auch die Rehabilitation. Dabei kann man durchaus sagen, dass es sich bei den beiden Bereichen um zwei Seiten derselben Medaille handelt. Es gibt Parallelen zwischen den Maßnahmen, die zur Vorbeugung von Krankheiten ergriffen werden, und jenen, die zur Wiederherstellung dienen. Oft handelt es sich um therapeutische Angebote, die einen ganzheitlichen medizinischen Ansatz verfolgen. Dass auch wesentliche Akteure unserer Gesundheitslandschaft beide Bereiche als untrennbar voneinander betrachten, zeigt sich etwa, wenn die Landesärztekammer im Ausschuss „Prävention und Rehabilitation“ beide Themenfelder zusammenfasst oder wenn sogar das Bundesgesundheitsministerium konstatiert, dass die tertiäre Prävention weitgehend identisch mit der medizinischen Rehabilitation ist. Demnach hat die tertiäre Prävention das Ziel, Krankheitsfolgen zu mildern. Sie beugt also Rückfällen vor.

Betriebliche Gesundheitsförderung

Das Instrumentarium ähnelt sich also und kann stark vereinfacht auf grundsätzliche Verhaltensregeln wie gesunde Ernährung, Bewegung, Stressabbau oder frische Luft heruntergebrochen werden. Prinzipien, auf die auch die Betriebliche Gesundheitsförderung zielt, die wiederum seit 2015 rechtlich im Präventionsgesetz verankert ist. Unternehmen sollen ihren Mitarbeitern den Zugang zu entsprechenden Angeboten – Sportkurse, Ernährungsseminare oder Bewegungsworkshops – erleichtern. Damit tragen sie zur Volksgesundheit bei und verringern gleichzeitig den Kranken – stand, was wiederum für die Profitabilität der Unternehmen nur gut sein kann. Gleichwohl, auch wenn der Wille zur allgemeinen Gesundheitsförderung im Gesetz noch relativ frisch verortet ist, so geht das historische Erbe sowohl von Prävention als auch Rehabilitation weit zurück. Auch in Dresden und der Region Ostsachen finden sich zahlreiche Spuren.

Friedrich Eduard Bilz – Vater der volkstümlichen Naturheilkunde

Der wohl bekannteste Name in diesem Zusammenhang gehört wohl Friedrich Eduard Bilz, der als Vater der volkstümlichen Naturheilkunde in die Medizingeschichte eingegangen ist und vor allem in Radebeul gewirkt hat. Der in Arnsdorf 1842 geborene Selfmade man baute ein Imperium mit Naturheilkundeprodukten wie der Bilz- Brause oder der Bilz-Nährsalz-Schoko – lade auf und veröffentlichte zahlreiche Bücher, die eine Auflage von ca. 3,5 Millionen Exemplaren erzielten und in zwölf Sprachen übersetzt wurden. Nach seinem Tod wurde er direkt neben dem Grab seines Freundes Karl May beigesetzt. Noch heute wirkt der 1995 gegründete Bilz-Bund für Naturheilkunde e.V. 1995 in Radebeul. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Tradition der Naturheilkunde im Sinne des Visionärs für die heutige, moderne Zeit wiederzubeleben und bekanntzumachen. Dafür stützt er sich auf die fünf klassischen Säulen der Bilz- Philosophie. Ernährungs-, Bewegungs-, Wasser- und Ordnungstherapie sowie Pflanzenheilkunde werden bis heute wissenschaftlich ausgearbeitet und in unterschiedlichen Kontexten gelehrt. Zudem kennt nicht nur jeder Radebeuler das Bilz-Bad, das der Öffentlichkeit als Wellenbad zur Verfügung steht. Das ehemalige Bilz-Sanatorium mit seinen vier Kurhäusern wurde hingegen inzwischen zu einer luxuriösen Wohnanlage umgebaut.

Heinrich Lahmann – Vorreiter der Rehabilitationsmedizin

Die Ursprünge des Lahmann-Sanatoriums im heutigen Dresdner Stadtteil Weißer Hirsch gehen bis in die 1870er Jahre zurück. Aber erst als der Arzt und Naturheilkundler Heinrich Lahmann das in Konkurs gegangene Fridabad 1887 pachtete und als „Dr. Lahmanns physiatrisches Sanatorium“ neu eröffnete, begann die Blütezeit der Kur- und Heilstätte. Heinrich Lahmann begrüßte auch prominente Gäste wie Rainer Maria Rilke, Franz Kafka, Thomas Mann, aber auch den Großadmiral Heinrich Prinz von Preußen am Weißen Hirsch. Von vornherein fokussierte sich Heinrich Lahmann dabei auf die damals noch neuen, modernen Naturheil verfahren. Sein Kurkonzept basierte neben der Ernährung auf Wasseranwendungen, den so genannten „Luftbädern“, Bewegung in der freien Natur und Sport. Jeden Morgen trafen sich die Patienten leicht bekleidet zur Gymnastik. Dazu kamen Fangopackungen, Inhalationen und Behandlungen mit UV-Licht sowie elektrotherapeutische Behandlungen. Prinzipien, die in vielerlei Hinsicht auch gegenwärtig zum Einmaleins der Präventions- und Rehabilitationsmedizin gehören. Heute hat sich das Sanatorium als luxuriöse Wohn- und Gewerbeanlage neu erfunden, wobei der Charme der Original- Bauten an vielen Stellen beibehalten wurde.

Gartenstadt Hellerau – Vereinbarkeit von Wohnen, Arbeit, Gesundheit, Kultur und Bildung

Die Gartenstadt Hellerau gilt als Prestigeprojekt der Lebensreformer, einer Bewegung, der auch Bilz und Lahmann angehörten und die als Gegenpol zur Industrialisierung ab Ende des 19. Jahrhunderts immer populärer wurde. Naturheilkunde, eine damit verbundene Ernährungsreform und der Glaube an die selbstheilenden Kräfte des Menschen waren wesentliche Trieb federn der Lebensreformer. Ihre architektonische Ausprägung fand wiederum in der vom Engländer Ebenezer Howard im Jahr 1898 geprägtem Gartenstadtbewegung einen deutlichen Widerhall. Ein solches Projekt, das als Reaktion auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse in den industrialisierten Städten entstand, war auch die Gartenstadt Hellerau. In dem vom Möbelfabrikant Karl Schmidt 1909 gegründeten Viertel sollten die Arbeiter in naturnaher und gesunder Atmosphäre zur Ruhe kommen. Angestrebt wurde eine Vereinbarkeit von Wohnen, Arbeit, Gesundheit, Kultur und Bildung. Konzeptionelle Gedanken, die auch unsere Lebenswelt bestimmen. Impulse für die Gegenwart finden sich jedenfalls auch heute noch in den Überlegungen der Lebensreformer. Nicht umsonst bemüht sich eine Initiative um die Anerkennung Helleraus als Weltkulturerbe.

Karl August Lingner – Der Quereinsteiger

Obwohl er eigentlich kein Mediziner, sondern gelernter Handelskaufmann war, so hatte Karl August Lingner doch erheblichen Einfluss auf das kommunale Gesundheitswesen in Dresden. Nachdem er während des ersten Weltkriegs Heilsera an die Fronten lieferte, wandte sich der gebürtige Magdeburger durch einen Freund bald der Bakteriologie zu. Mit seinem Odol-Mundwasser sagte er den Bakterien im Mund den Kampf an und wurde zu einem erfolgreichen Unternehmer. Danach profilierte sich Lingner auch durch Kontakte zu Ärzten als Persönlichkeit der Präventionsmedizin und brachte populäre Schriften wie die „Blätter für Volksgesundheitspflege“ heraus. Auch mit von ihm gegründeten Institutionen wie der „Zentralstelle für Zahnhygiene“ oder der „Öffentliche Zentrale für Desinfektion“ leistete er Aufklärungsarbeit für eine geregelte Vorsorge zum Schutz der Volksgesundheit. Schließlich leitete er 1911 die 1. Internationale Hygieneausstellung in Dresden, im Jahr ein Weltereignis mit über 5.000.000 Besuchern und gleich – zeitig Initialzündung für das ein Jahr später gegründete Hygienemuseum.

Samuel Hahnemann – Der Homöopath

Über ein Jahrhundert zu vor wirkte Samuel Hahnemann, der in Meißen geboren wurde und als Begründer der Homöopathie gilt. Er war es, der das Prinzip der alternativen Heilkunde mit dem Satz „Similia similibus curentur“ (lat. „Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden“) formulierte. An seiner „sanften Methode“ scheiden sich bis heute die medizinischen Geister. Hahnemann versammelte nach der Entwicklung des Ähnlichkeitsprinzips 1790, das später noch durch drei weitere Grundprinzipien ergänzt wurde, immer mehr Anhänger hinter sich, aber auch immer mehr Gegner. Für seinen Ansatz ermittelte er das Arzneimittelbild von Pflanzen, Mineralien und tierischen Produkten. Die Patienten wurden beobachtet, befragt und entsprechend des Krankheitsbilds mit homöopathischen Mitteln therapiert. Einen Popularitätsschub bekam Hahnemann nach dem Erscheinen des „Organon der rationellen Heilkunde“ im Jahr 1810, eine Veröffentlichung, die bis heute als Standardwerk der Homöopathie gilt.

Carl Gustav Carus – Der Ernährungstheoretiker

Einen großen Namen trägt auch Carl Gustav Carus, der Dresdnern nicht nur als Namensgeber des Universitätsklinikums ein Begriff sein dürfte. Der erste Leibarzt des sächsischen Königs Friedrich August II. formulierte schon Mitte des 19. Jahrhunderts Prinzipien der heutigen Präventionsmedizin. Denn Carus machte „übermäßige Ernährung“ als Ursache zahlreicher Krankheiten aus. Er postulierte, dass man Nahrung zu geregelten Zeiten und mit ausreichend Pausen zwischen den Mahlzeiten zu sich nehmen sollte. Während er bei der Oberschicht eine Überernährung identifizierte, litten die unteren Schichten unter Mangelernährung. Carus gilt aber auch als Vorläufer der Ganzheitlichen Medizin, wobei er sich als Naturphilosoph durchaus auch mit esoterischen Themen auseinandersetzte. 

Text: Philipp Demankowski

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