Von der „Werkbank” in die Klinik

Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Uniklinikums (links) begrüßt Prof. Christian Thomas zu Beginn seiner Tätigkeit als Direktor der Klinik für Urologie. / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Marc Eisele
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Die Urologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden kombiniert neueste Forschungs­ergebnisse mit modernsten Behandlungsmethoden.

Medizin ist nicht selten auch Detektivarbeit. Welche Vor­gänge im Körper führen zu einer bestimmten Erkran­kung? Welche Stoffe sind daran beteiligt und wie können Ärzte ihnen auf die Spur kommen? Diese Fragen stellt sich auch Prof. Dr. Christian Thomas. Seit Januar 2019 ist der Urologe Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie am Uniklinikum in Dresden. Vor allem die Mechanismen, die zu Tumor­erkran­kun­gen führen, will der Mediziner entschlüsseln. Eine heiße Spur führt dabei zu den sogenannten Biomarkern. Zu diesem Thema hat Christian Thomas 2004 auch promoviert und 2013 habilitiert. Bevor er seine Stelle in Dresden antrat, war er unter anderem an den Unikliniken in Mainz und Frankfurt tätig sowie am Vancouver Prostate Centre der University of British Columbia in Kanada.


Wichtige Erkenntnisse durch Biomarker
Bei Biomarkern handelt sich um natürlich im Körper vorkommende Moleküle, die bei bestimmten Tumorerkrankungen deutlich häufiger gebildet werden und dann in einer auffällig hohen Konzentration im Gewebe oder Blut nachweisbar sind. Jeder Prozess im Körper wird über bestimmte Signalwege reguliert, und so nutzt auch ein Tumor diese natürlichen Strukturen, denn er ist nichts anderes als körpereigenes Gewebe, das entartet ist. Biomarker sollen nun beispielsweise darüber Aufschluss geben, ob ein Tumor schnell oder langsam wächst und welche Therapie die beste ist. Dabei ist die „Liquid Biopsy“, also die Untersuchung von Tumorzellen und zellfreiem Genmaterial im Blut, wesentlich schonender für den Patienten als eine Biopsie, bei der eine Metastase mithilfe einer Nadel punktiert werden muss.

Das von der Urologie genutzte „Da Vinci“-Operationssystem besteht aus einer Steuerkonsole (links) und die im Vordergrund rechts zu sehenden vier computer-gesteuerten Arme / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Holger Ostermeyer


Mechanismen des Tumors erkennen
„Die Urologie gehört zu den Fächern mit den meisten Tumor­arten innerhalb der Medizin. Der Haupt­schwer­punkt hier in der Urologie am Dresdner Uniklinikum liegt deshalb auch auf dem Gebiet der Uroonkologie. Hier sind wir sowohl was die operativen Verfahren be­trifft als auch bei den konservativen Therapie­möglich­keiten sehr breit aufgestellt“, erklärt Chris­tian Thomas. „Unser Ziel ist es, im Rahmen der individuellen Medizin jedem Patienten eine auf ihn persönlich abgestimmte Behandlung zu bieten.“
Damit das in Zukunft immer besser und zielgenauer gelingt, wird auch im Labor intensiv geforscht. „Wir wollen verstehen, was die Mechanismen der Tumorentstehung sind, um diese dann zielgerichtet ausschalten zu können, zum Beispiel indem ein Medikament den Signalweg des Tumors blockiert“, erläutert der Klinikdirektor. Das Dresdner Uniklinikum vereint die klinische Versorgung der Patienten mit der Lehre und der Wissenschaft. Der Fokus liegt dabei unter anderem auf der translationalen Urologie. Das bedeutet, dass Erkenntnisse, die im Labor oder in der Forschung gewonnen werden – Christian Thomas nennt es anschaulich „auf der Werkbank“ –, sobald wie möglich auf die praktische Arbeit im Klinikalltag übertragen und bei der Behandlung der Patienten umgesetzt werden.

Beim „Tookad“-Verfahren werden Laserfasern zur Aktvierung des fotosensitiven Wirkstoffs Padeliporfin genutzt. / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Thomas Albrecht

Breitgefächertes Behandlungsspektrum
Als eine der größten urologischen Kliniken Deutschlands nimmt die Urologie im Dresdner Universitätsklinikum pro Jahr über 5.500 Fälle stationär auf. 82 Betten und fünf OP-Säle stehen zur Verfügung, sämtliche urologische Erkrankungen können hier behandelt werden. Neben der Uroonkologie werden sachsenweit auch die meisten Nierentransplantationen durchgeführt. Weitere Schwerpunkte sind die Therapie bei Nieren- und Blasensteinen sowie bei Inkontinenz. Und auch die Kinder­urologie ist in der Klinik angesiedelt.
Muss operiert werden, kommen wenn möglich modernste mini­malinvasive OP-Verfahren zum Einsatz. „Die Urologie war maßgeblich an der Entwicklung der robotischen Chirurgie beteiligt“, sagt Christian Thomas. „In Deutschland wird sie auf unserem Fachgebiet mittlerweile flächendeckend eingesetzt.“ Seit 1999 bekannt und heutzutage in OP-Sälen weltweit etabliert ist der Da Vinci-OP-Roboter. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Telemanipulator, bei dem der Operateur an einer Konsole arbeitet und damit die Arme des Roboters steuert. Die­ser ist mit Gelenken ausgestattet und setzt die Be­we­gungen des menschlichen Handgelenks um. Die Beweg­lich­keit ist dabei weitaus besser als bei klassischen Verfahren der Schlüssel­loch­chirurgie, der operierende Arzt kann viel präziser vorgehen. Zum Einsatz kommt „Da Vinci“ vor allem bei der Radikal­ent­fernung der Prostata und bei Teilresektionen der Niere.

Neues Verfahren für wenig aggressive Tumore
Im Gegensatz dazu ist das TOOKAD-Verfahren noch relativ neu am Uniklinikum. Seit Mai 2018 wird es bei Patienten mit Prostatakarzinom angewandt. Dabei wird ihnen eine lichtempfindliche Substanz verabreicht, die sich auch in der Prostata verteilt. Mittels Laserfasern, die in dem Tumor platziert werden, wird das Medikament angeregt und die Gefäße ziehen sich zusammen. Die Blutversorgung wird unterbrochen und das vom Tumor befallene Gewebe stirbt ab. Der Eingriff findet unter Vollnarkose statt. Vorteil des Verfahrens sind geringere Nebenwirkungen, bislang wird es allerdings nur für wenig ag­gressive Fälle genutzt. Langzeitdaten dazu gibt es noch nicht, geplant sind jedoch auch Studien, wie sich das TOOKAD-Verfahren bei aggressiveren Tumoren verhält. Die Detektiv­arbeit im Dienst der Gesund­heit geht also weiter.

Text: Ute Nitzsche

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