Millimeterarbeit in der Protonentherapie
Das interdisziplinär arbeitende OncoRay-Zentrum entwickelte mit der DirectSPR-Methode ein Verfahren, das die Präzision der Protonentherapie deutlich erhöht. Seit April wendet das Dresdner Uniklinikum als weltweit erste Einrichtung diesen neuen Berechnungsmodus in der klinischen Routine an.
Es kommt auf Millimeter an. Mit dem DirectSPR-Verfahren ist nach intensiver Forschungsarbeit im April eine Methode in die klinische Anwendung gegangen, die Präzision, Sicherheit und wahrscheinlich auch Verträglichkeit der Protonentherapie bei Prostata- und Hirntumoren deutlich erhöht. Das Problem bei der Bestrahlung mit Protonen bestand bisher darin, dass die Tiefe des Eindringens der Partikel nur sehr schwer kontrollierbar war, da die verschiedenen Gewebearten unterschiedliche Bremseigenschaften haben.
„Die DirectSPR-Methode führt nun zu einer deutlich geringeren Strahlenbelastung für das gesunde Gewebe. In einigen Fällen, bei denen ein Risikoorgan sehr nah an den Tumor angrenzt, kann außerdem eine höhere Dosis in das Tumorgewebe gebracht werden – die Protonen lassen sich näher an das Risikoorgan heranführen“, erklärt Dr. Christian Richter das zugrunde liegende Prinzip des neuen Berechnungsverfahrens, das nicht nur in Dresden entwickelt, sondern am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus weltweit erstmals in der klinischen Routine angewendet wurde. Dr. Richter ist Leiter der Forschungsgruppe „Hochpräzisionsstrahlentherapie“ am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und am OncoRay-Zentrum.
Bessere Bremsvorhersage
Ermöglicht wird die Methode durch die Dual-Energy-Computertomographie (DECT), die im Gegensatz zum herkömmlichen Computertomografen zwei CT-Aufnahmen liefert, die mit unterschiedlichen Röntgenenergien erzeugt werden. Daraus lassen sich deutlich mehr Informationen über das Bremsverhalten in den unterschiedlichen Gewebearten ableiten.
Insgesamt viereinhalb Jahre Forschungsarbeit liegen hinter dem Team. Vom neuen Verfahren profitieren nun als erstes die Dresdner Patienten. Doch bereits jetzt häufen sich die Anfragen von anderen Kliniken. „Darüber freuen wir uns sehr. Voraussetzung ist aber, dass die Einrichtung über einen DECT-fähigen Computertomografen verfügt“, schränkt Dr. Christian Richter ein. Auch das Feedback von der Internationalen Fachtagung der European Society for Radiotherapy and Oncology (ESTRO) im April in Mailand, auf der die Dresdner Wissenschaftler das Verfahren erstmals einer breiten medizinischen Öffentlichkeit vorstellten, war durchweg positiv. Der nächste Schritt liegt auf der Hand. „Wir wollen versuchen, die Technologie auch für andere Krebsarten nutzbar machen“, sagt. Dr. Christian Richter. Vor allem bei beweglichen Tumoren, die ihren Standort im Körper verlagern können, ist die Anwendbarkeit des Verfahrens noch unklar.
Die Kooperation macht’s möglich
Dass die Zusammenarbeit so ertragreich ist, liegt auch an logistisch-räumlichen Vorteilen, die mit der Gründung des Dresdner OncoRay-Zentrums einhergingen. „Allein die Tatsache, dass die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie mit dem OncoRay-Zentrum in einem Gebäude sitzt, macht viel aus. Die rund 80 Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Fachbereichen können dadurch effizienter als an vergleichbaren Standorten forschen. Und wir können die neue Therapie schneller bei den Patienten anwenden“, erklärt Prof. Esther Troost, Klinikdirektorin und Leiterin der Forschungsgruppe „Bildgestützte Hochpräzisionsstrahlentherapie“ am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.
Eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der Methode spielte zudem die enge Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Mit den dort ansässigen Kollegen standen die Dresdner Forscher in ständigem Kontakt, was vor allem für die Berechnung des richtigen Algorithmus essenziell war. Seit 2016 arbeiteten Forscher zudem mit Siemens zusammen, um das Verfahren auch anderen Protonentherapie-Zentren als Medizinprodukt verfügbar zu machen.
Text: Philipp Demankowski