Millimeterarbeit in der Protonentherapie

Foto: Philip Benjamin
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Das interdisziplinär arbeitende OncoRay-Zentrum entwickelte mit der DirectSPR-Methode ein Verfahren, das die Präzision der Protonentherapie deutlich erhöht. Seit April wendet das Dresdner Uniklinikum als weltweit erste Einrichtung diesen neuen Berechnungsmodus in der klinischen Routine an.

Es kommt auf Millimeter an. Mit dem DirectSPR-Verfahren ist nach intensiver Forschungsarbeit im April eine Methode in die klinische Anwendung gegangen, die Präzision, Sicher­heit und wahrscheinlich auch Verträglichkeit der Protonen­therapie bei Prostata- und Hirntumoren deutlich erhöht. Das Problem bei der Bestrahlung mit Protonen bestand bisher da­rin, dass die Tiefe des Eindringens der Partikel nur sehr schwer kontrollierbar war, da die verschiedenen Gewebearten unterschiedliche Bremseigenschaften haben.

Vorteil der höheren Präzision und verkleinerten Reichweite-Unsicherheit: Der mit dem DirectSPR-Verfahren angefertigte Bestrahlungsplan (links) weist im Vergleich zum bisherigen Verfahren eine deutliche Dosis-Reduzierung im um den Tumor befindlichen gesunden Gewebe auf (rechts, blauer Bereich im Dosis-Differenzbild). Dies besteht zum Großteil aus Hirngewebe, aber auch Sehnerven (gelb) und Hirnstamm (pink). / OncoRay/Christian Hahn, Nils Peters

„Die DirectSPR-Methode führt nun zu einer deutlich geringeren Strahlenbelastung für das gesunde Gewebe. In einigen Fällen, bei denen ein Risikoorgan sehr nah an den Tumor an­grenzt, kann außerdem eine höhere Dosis in das Tumorgewebe gebracht werden – die Protonen lassen sich näher an das Risiko­organ heranführen“, erklärt Dr. Christian Richter das zugrunde ­liegende Prinzip des neuen Berechnungsverfahrens, das nicht nur in Dresden entwickelt, sondern am Universi­täts­klinikum Carl Gustav Carus weltweit erstmals in der klinischen Routine angewendet wurde. Dr. Richter ist Leiter der Forschungs­grup­pe „Hochpräzisionsstrahlentherapie“ am Helmholtz-Zen­trum Dresden-Rossendorf (HZDR) und am OncoRay-Zentrum.

Bessere Bremsvorhersage
Ermöglicht wird die Methode durch die Dual-Energy-Computer­tomographie (DECT), die im Gegensatz zum herkömmlichen Computertomografen zwei CT-Aufnahmen liefert, die mit unterschiedlichen Röntgenenergien erzeugt werden. Daraus lassen sich deutlich mehr Informationen über das Bremsverhalten in den unterschiedlichen Gewebearten ableiten.

Insgesamt viereinhalb Jahre Forschungsarbeit liegen hinter dem Team. Vom neuen Verfahren profitieren nun als erstes die Dresdner Patienten. Doch bereits jetzt häufen sich die An­fra­gen von anderen Kliniken. „Darüber freuen wir uns sehr. Voraus­setzung ist aber, dass die Einrichtung über einen DECT-fähigen Computertomografen verfügt“, schränkt Dr. Christian Richter ein. Auch das Feedback von der Internationalen Fach­tagung der European Society for Radiotherapy and Oncology (ESTRO) im April in Mailand, auf der die Dresdner Wissen­schaftler das Verfahren erstmals einer breiten medizinischen Öffentlichkeit vorstellten, war durchweg positiv. Der nächste Schritt liegt auf der Hand. „Wir wollen versuchen, die Tech­nologie auch für andere Krebsarten nutzbar machen“, sagt. Dr. Christian Rich­ter. Vor allem bei beweglichen Tumoren, die ihren Standort im Körper verlagern können, ist die Anwend­bar­keit des Ver­fah­rens noch unklar.

Die Kooperation macht’s möglich
Dass die Zusammenarbeit so ertragreich ist, liegt auch an logistisch-räumlichen Vorteilen, die mit der Gründung des Dresd­ner OncoRay-Zentrums einhergingen. „Allein die Tatsache, dass die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie mit dem OncoRay-Zentrum in einem Gebäude sitzt, macht viel aus. Die rund 80 Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Fachbereichen können dadurch effizienter als an vergleichbaren Standorten forschen. Und wir können die neue Therapie schneller bei den Patienten anwenden“, erklärt Prof. Esther Troost, Klinikdirektorin und Leiterin der Forschungsgruppe „Bildgestützte Hochpräzisionsstrahlentherapie“ am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.

Eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung der Methode spielte zudem die enge Kooperation mit dem Deutschen Krebs­forschungszentrum in Heidelberg. Mit den dort ansässigen Kollegen standen die Dresdner Forscher in ständigem Kontakt, was vor allem für die Berechnung des richtigen Algorithmus essenziell war. Seit 2016 arbeiteten Forscher zudem mit Sie­mens zusammen, um das Verfahren auch anderen Protonen­therapie-Zentren als Medizinprodukt verfügbar zu machen.

Text: Philipp Demankowski

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