Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Welchen Einfluss hat die Ernährung?

Mediterrane Ernährungs- und Lebensstilpyramide / Grafik: Praxisklinik Herz und Gefäße
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Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten in Deutschland als Todesursache Nr. 1. Die wich­tigs­ten Risikofaktoren hoher Blutdruck, Übergewicht, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen sind häufig Folgen einer falschen Ernährung. Mit einem adäquaten Speise­plan lässt sich das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall langfristig vermindern.

Etwa 40% aller Todesfälle in Deutschland treten infolge von Herzerkrankungen auf. Deshalb kommt der Ausschaltung der zugrundeliegenden Risikofaktoren eine zentrale Bedeu­tung zu. Auch wenn Alter, Geschlecht und erbliche Belastung eine Rolle bei der Entwicklung von Herzkrankheiten spielen, ist die Hauptursache der Koronaren Herzkrankheit (KHK) un­ser heutiger Lebensstil: falsche Ernährung, Übergewicht, Be­wegungsmangel, Rauchen und Stress. Daraus entwickeln sich Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck und eine Fettstoffwechselstörung.

Besonders besorgniserregend ist die Zunahme des Diabetes. Etwa 8% der deutschen Bevölkerung sind an Diabetes er­krankt, die Dunkelziffer liegt weit höher. Zwei Drittel der Herzinfarkt­patienten sind Diabetiker oder leiden an Prädia­betes. Lebens­stil­modifikationen sind zentraler Bestandteil der Therapie, fallen aber erfahrungsgemäß vielen Menschen schwer. Das gilt so­wohl für eine gesunde Ernährung als auch für die Motivation zu mehr körperlicher Aktivität.

Arteriosklerose-Schutz: Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien

Die Ernährung beeinflusst nicht nur die kardiovaskulären Risikofaktoren, sondern wirkt sich auch unmittelbar auf die Ent­stehung der Arteriosklerose aus. Bekannt ist die Schutz­funk­tion von Antioxidantien gegen freie Radikale und von Omega­-3­-Fett­säuren gegen Thrombosen und Herz­rhythmus­stö­run­gen. Die traditionelle mediterrane Kost, die auch in den Mit­tel­meerländern heute keineswegs mehr die Regel ist, zeichnet sich durch eine hohe Zufuhr von Olivenöl, Obst und Gemüse, Nüssen und Cerealien sowie den Konsum von Geflügel und Fisch aus. Rotes Fleisch wird dagegen selten verzehrt, wäh­rend ein Glas Wein regelmäßiger Bestandteil der Mahlzeiten ist.

Protektive Wirkung spiegelt sich in Studien wider

Koronare Herzerkrankung: Zum Einfluss der Ernährung auf Herz-­Kreislauf­-Erkrankungen gibt es nur wenige große Inter­ventionsstudien. Den Zusammenhang zwischen Ernährung und der Entstehung von Herzerkrankungen wies vor etwa 60Jahren ein amerikanischer Ernährungsforscher erstmals nach: Zunächst belächelt, initiierte Ancel Keys ein groß angelegtes Forschungsprojekt über 15 Jahre in sieben Ländern. In dieser Sieben-­Länder­-Studie bestätigte sich eindrucksvoll die Beziehung zwischen Ernährung und dem Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Gleichzeitig wurde erkannt, dass die traditionelle Kost der Mittelmeerländer eine besonders herzgesunde Ernährungsweise ist. Die geringste Rate an Herz-­ und Gefäßerkrankungen fand sich auf Kreta. Vor allem dem reichlich verwendeten Olivenöl wurde eine gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben.

Einen weiteren Beleg für die protektive Wirkung der Mittel­meer­-Diät liefert die Lyon Diet Heart Study. Diese wurde in den 1990er Jahren durchgeführt und war vom Design eine Sekundär­-Präventions-­Studie nach überstandenem Herz­in­farkt. Hier wurde eine Mittelmeer-­Diät mit einer Standard­-Kost ver­glichen, die Beobachtungszeit lag im Durchschnitt bei 46 Monaten. Als Ergebnis zeigte sich eine signifikante Sen­kung des Risikos für ein erneutes kardiales Ereignis bei den Teilnehmern mit der Mittelmeer­-Diät. Interessanterweise war dieser Effekt unabhängig von einer Beeinflussung der Choles­te­rin-­ und Blutdruckwerte, die sich in beiden Studienarmen nicht unterschieden. Limitierend ist allerdings die relativ geringe Teilnehmerzahl mit 423 Postinfarktpatienten.

Die sogenannte Predimed­-Studie ist eine wichtige Studie im Bereich der Primärprävention. In dieser 2013 publizierten Studie wurden 7.447 Teilnehmer mit hohem kardiovaskulären Risiko in drei Studienarme randomisiert. Eine Gruppe erhielt mediterrane Kost, angereichert mit 1 Liter Olivenöl pro Woche, eine weitere Gruppe mediterrane Kost, angereichert mit dem täglichen Verzehr von 30 Gramm Nüssen (15 Gramm Walnüsse, 7,5 Gramm Haselnüsse und 7,5 Gramm Mandeln). Daneben gab es eine Kontrollgruppe, der eine fettarme Ernährung empfohlen wurde. Eine Kalorien­-Restriktion war in keiner Gruppe vorgeschrieben. Das mittlere Follow-­up der Teilnehmer betrug 4,8 Jahre.

Ergebnis: Der zusammengesetzte primäre Endpunkt aus Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulär bedingter Mortalität wurde in den Gruppen mit mediterraner Kost um 30% reduziert. Tendenziell zeigte sich auch eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit. In einer Subgruppe der Studie analysierte man bei 372Teilnehmern die Plasmaspiegel von oxidiertem LDL­Cholesterin. Im Vergleich zur fettmodifizierten Kost reduzierte die Mittel­meerkost die LDL­-Werte, allerdings ohne eine statistische Signifikanz zu erreichen. Ein relevanter Unterschied zwischen der Mittelmeerkost und der fettmodifizierten Ernährung zeigte sich auch in der Diabetesinzidenz. Eine Analyse von 427 Probanden der Predi­med-­Studie ergab in der mediterranen Ernährungsform nach einem Follow-­up von vier Jahren ein um 52% geringeres Risiko, an Diabetes zu erkranken.

Metabolisches Syndrom: Eine kleine Studie aus dem Jahr 2004 an 180 Teilnehmern mit metabolischem Syndrom ver-glich eine mediterrane Ernährung mit einer fettarmen im Hinblick auf Inflammation, endotheliale Dysfunktion und Körpergewicht. Es zeigte sich bei den Probanden der Mittel­meerkost eine stärkere Reduktion des Körpergewichts, eine Abnahme der Entzündungsparameter (CRP, Interleukin) und eine Abnahme der Insulinresistenz. Gleichzeitig kam es zu einer Verbesserung der Endothelfunktion. Diese Ergebnisse der mediterranen Ernährung wurden in einer Metaanalyse von 50 Studien und 534.906 Teilnehmern aus dem Jahr 2011 bestätigt. Alle Komponenten des metabolischen Syndroms wurden verbessert. Die nachweisbare Ab­nahme des Bauchumfangs führt dabei zu einer Reduktion des biologisch aktiven Fetts als zentralem Bestandteil der Insulin­resistenz.

Bluthochdruck: Die Empfehlungen zur Ernährung bei Blut­hochdruck gehen im Wesentlichen auf die DASH­-Studie aus dem Jahr 2001 zurück. In dieser wurde der Effekt einer kochsalzreduzierten und fettmodifizierten Ernährung, reich an Ge­müse und Obst, auf den Blutdruck untersucht. 412 Teilnehmer, mit und ohne Bluthochdruck, wurden in die DASH­-Diät oder in eine Kontrollgruppe randomisiert. In beiden Gruppen zeigte sich eine signifikante systolische und diastolische Blut­druck­senkung, und zwar umso ausgeprägter, je niedriger die Kochsalzzufuhr war. Am ausgeprägtesten war dieser Effekt in der Kombination aus DASH-Diät und Kochsalzreduktion. Auf dieser Studie basieren die aktuellen Empfehlungen der deutschen Hochdruckliga. Hier werden eine Restriktion der Kochsalzzufuhr auf 5-6 Gramm pro Tag und ein erhöhter Kon­sum von Ge­mü­se, Früchten und Milchprodukten mit niedrigem Fettgehalt empfohlen (Ia­-Emp­feh­lung). Ferner wird eine Be­schränkung des täglichen Alkohol­konsums auf 20-30 Gramm bei Män­nern und 10-20 Gramm bei Frauen angeraten (Ia­-Empfehlung).

Genussmittel: Häufig wird Kaffeekonsum als kardialer Risiko­faktor angesehen. Kaffee enthält jedoch im Vergleich zu anderen Getränken eine hohe antioxidative Kapazi­tät und ist reich an Polyphenolen. In der Framingham­-Herz­-Studie, einer gro­ßen epidemiologischen Studie an 1.354 Patienten über eine Laufzeit von zehn Jah­ren, zeigte sich ein signifikanter Schutzeffekt bei regelmäßigem Kaffee­konsum. Ferner scheint regelmäßiger Kaffee­genuss eine protektive Wirkung gegenüber der Entste­hung eines Diabetes mellitus zu haben. In mehreren großen Studien wurden positive Effekte des Kaffees auf die glykämischen Parameter gezeigt, unabhängig von Body­-Mass-­Index (BMI) oder körperlicher Aktivität. Moderater Alkoholkonsum ist – sofern keine Kontraindika­tionen vorliegen – erlaubt. Beobachtungsstudien zufolge ist maßvoller Alkoholkonsum nicht mit einem erhöhten, sondern möglicherweise mit einem etwas geringeren kardiovaskulären Risiko verbunden. Bei einem höheren Alkoholkonsum nimmt das Gesamtrisiko jedoch zu.

Vitaminsubstitution: Für Vitamin E, C oder Beta­-Carotin liegen keine Daten vor, die eine Absenkung des Risikos für Herzerkrankungen belegen. Folsäure senkt das Homocystein, Interventionsstudien konnten jedoch keine Absenkung des Risikos für Herzerkrankungen durch eine Therapie mit Vitamin B6, B12 und Folsäure demonstrieren.

Empfehlungen für den Alltag

Herzpatienten sollten in ein ganzheitliches und umfassendes Therapiekonzept eingebunden werden. Dies umfasst neben einer gesunden Ernährung auch die Motivation zu mehr körperlicher Aktivität. Für einen aktiven Lebensstil werden 10.000 Schritte pro Tag empfohlen. Weil Stress im Alltag ungesunde Verhaltensweisen fördert, sollten Herzpatienten Stressbewältigungstechniken erlernen und umsetzen (PMR, Yoga etc.). Eine gesunde Ernährung ist integraler Bestandteil der Therapie. Wichtig ist dabei, die Patienten in die Therapieplanung einzubeziehen und nicht mit Verboten oder Vorschriften zu agieren. Die Therapieziele sollten individualisiert und für die Patienten im Alltag umsetzbar sein, beispielsweise das Ziel einer Gewichtsreduktion von 10% zum Ausgangsgewicht und kein BMI < 26. Insbesondere ist auf eine Nachhaltigkeit zu achten, da es bei vielen Diäten zum Jo­-Jo-Effekt kommt. Psychologisch ist die Einbeziehung des Lebenspartners hilfreich. Nicht nur was man isst spielt eine Rolle, sondern auch wie man isst. So kann Essen in der Gemeinschaft ein gesünderes Essverhalten fördern. Aufgrund der aktuellen Studienlage scheint eine Mittel­meer­kost für Herzpatienten am geeignetsten zu sein. In den Leitlinien wird eine ballaststoffreiche Nahrung mit einem hohen Anteil an ein-­ und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, reich an Omega­-3-­Fettsäuren, empfohlen.

Dr. med. Hermann Fischer, Zentrum für ambulante Rehabilitation Herz & Kreislauf Dresden
Dr. med. Rolf Dörr, Praxisklinik Herz und Gefäße Dresden

Praxisklinik Herz und Gefäße
Gesellschafter: Prof. Dr. med. S. G. Spitzer, Prof. Dr. med. habil. R. Sternitzky, Dr. med. R. Dörr, Dr. med. J. Stumpf, Dr. med. C. T. Kadalie, dr. med. L. Károlyi, Prof. Dr. med. habil. G. Simonis
24 Stunden-Notfallbereitschaft an 365 Tagen im Jahr für Koronarangiografien und Koronarangioplastien Notfallnummer für Patienten und Ärzte: 0351 8064-111

www.praxisklinik-dresden.de

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