Prof. Dr. Michael Albrecht: Ein Leben für die Hochschulmedizin

Prof. Dr. med. D. Michael Albrecht / Foto: © UKD/Anja Schneider
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Dem Universitätsklinikum Dresden steht eine echte Zäsur bevor. Prof. Dr. Michael Albrecht, seit 23 Jahren Medizinischer Vorstand des Dresdner Klinikums, hat sich dazu entschlossen, seinen Posten zum Jahresende zu räumen. Wie keine zweite Persönlichkeit prägte der gebürtige Münchner die Hochschulmedizin in Sachsen, setzte dabei konsequent auf Interdisziplinarität und medizinische Exzellenz, stets mit dem Ziel einer hochwertigen und effizienten Patientenversorgung.

Unter der Führung von Prof. Michael Albrecht hat das Uni­versitäts­klinikum Dresden zahlreiche Meilensteine erreicht und ist zu einem der führenden medizinischen Zentren in Deutsch­land und Europa gereift. Als geschickter Netzwerker half er, die Krankenhäuser der Regionen zu verbinden und gleichzeitig wichtige Institu­tionen wie das Na­tionale Centrum für Tumor­erkrankungen Dres­den (NCT/UCC) oder das Zentrum für Metabolisch-Immuno­logische Erkran­kungen und Therapie­tech­­nologien Sachsen (MITS) zu etablieren. Und auch in Kri­senzeiten wie zur Jahrhundertflut 2002 oder in der Corona-Pandemie führte Prof. Dr. Michael Albrecht den ge­wiss nicht immer leicht zu steuernden Tanker in ruhige Ge­wässer. Ein reiches Erbe also, das sein Nachfolger, der Hä­ma­tologe und Onkologe Prof. Dr. Uwe Platzbecker, zu Beginn des Jahres 2025 antritt.

Wir sprachen mit dem Träger des Sächsischen Verdienst­ordens über die Kultur im Universitätsklinikum, die Netz­werk­arbeit und seine Ideen für eine leistungsfähige Hoch­schul­medizin der Zukunft.


Angesichts Ihres bevorstehenden Abschieds vom Vor­stands­posten: Was sind von Ihnen angestoßene Entwick­lungen, die das Universitäts­klinikum von anderen Häusern unterscheidet?
Prof. Michael Albrecht: Grundauftrag war für uns immer die Überzeugung, das medizinische Versor­gungs­system zu verbessern. Vor diesem Hintergrund haben wir stets versucht, Dinge voranzubringen und Trendsetter zu sein. Ein Beispiel wäre, dass das Krankenhaus wie ein Un­ter­nehmen auftritt, in dem eine Service-Kultur für die Patien­tinnen und Patienten, aber auch nach innen eine Unterneh­mens­kultur mit bestimmten Werten für die Mitarbeitenden etabliert wird. Dazu gehört neben einer hochwertigen medizinischen Versorgung auch eine positive Kommunikation. Das unterscheidet uns schon von anderen Häusern.

Wie können diese Ideen weitergedacht werden?
Wir müssen diese Kultur erst einmal konsequent umsetzen, denn sie stößt keineswegs immer nur auf Gegenliebe. Ich kann mich noch gut an Kolleginnen und Kollegen er­innern, die meinten, man würde die medizinische Sorgfaltspflicht verletzen, wenn man an­fängt, Patientinnen und Patienten als Kundinnen und Kunden zu bezeichnen. Außerdem werden die gelebten Werte im zweifelsohne stressigen medizinischen Alltag auch mal auf die Probe gestellt. Man braucht also mitunter einen langen Atem. Ein Entwicklungs­prozess funktioniert nur mit kontinuierlicher Prägung, Vorbildfunktion und auch einem System aus Belohnungen und Sanktionen. Ins­gesamt würde ich aber schon sagen, dass sich die deutsche Krankenhauslandschaft generell und unser Haus im Speziel­len positiv entwickelt hat. Der Weg ist aber noch längst nicht zu Ende gegangen. Das sehen wir jeden Montag, wenn wir im Beschwerdemanagement zusammensitzen. Eine funktionierende Feedbackkultur war uns immer wichtig, weil dadurch fehlerhafte Muster sichtbar werden.

Welche Rolle spielen Konzepte der Prävention und Individualisierung für eine moderne Krankenhauswirtschaft?
Eine entscheidende. Seit 20 Jahren betonen wir, dass es in erster Linie darauf ankommt, den Kran­ken­hausaufenthalt zu vermeiden. Da ist aber wenig passiert, wenn man ehrlich ist. Deutschland hat eines der teuersten Ge­sund­heitssysteme der Welt, mit gleichzeitig nur geringen Investitionen in Präventions­programme. Da sind uns die skandinavischen Länder weit voraus. Ein weiteres wichtiges Kri­terium für eine leistungsfähige moderne Medizin ist die Individualisierung der Versorgung. Die Therapie sollte also immer stärker an die jeweiligen Patientinnen und Patienten angepasst werden. Das kann dann auch mal bedeuten, dass be­stimmte Be­handlungen ausgelassen werden. Die Patientinnen und Patienten werden natürlich keinesfalls im Stich gelassen, sondern stattdessen viel gezielter behandelt. Da sind noch Verbesserungen notwendig, aber gerade in der Onkologie sind wir schon sehr weit. Immerhin war unser Krebszentrum eines der ersten, das konkret individualisierte Therapien angeboten hat. Das ist die Zukunft. Das weiß auch die Forschungs­gemeinde. Der Neubau des Deutschen Krebsforschungs­zen­trum, der bei uns gerade entsteht, zeugt von der Wertschätzung für diesen Weg.

Wichtig war Ihnen auch stets die Verflechtung mit Kliniken im ländlichen Raum, um die Versorgung auch dort zu sichern. Wie geht es diesbezüglich weiter?
Das stimmt. Das war uns immer sehr wichtig. Ich bin persönlich viel Klinken putzen gegangen und habe viel Gegenwind gespürt. Wir waren aber immer davon überzeugt, dass ein regionales Be­hand­lungskonzept nur über Vernetzung funktioniert. Patientinnen und Patienten aus Hoyers­werda oder Zittau müssen im Notfall eine absolute Hoch­leis­tungsmedizin bekommen und bei allen regulären Erkrankungen vor Ort versorgt werden. Das funktioniert nur, wenn die jeweiligen Kompetenzen genau identifiziert und in Fachzentren konzentriert werden. Dafür braucht es aber auch die Einsicht, dass Fälle abgegeben werden. Es nützt nichts, wenn die Patien­tinnen und Patienten „gebunkert” werden. Das war über viele Jahre so. Inzwischen ist die Situation etwas besser geworden, es fehlen aber nach wie vor die richtigen Belohnungsanreize für Netzwerkarbeit. Wie wichtig ein funktionierendes Netz­werk ist, haben wir mit unserem Cluster aus 36 Kranken­häusern während der Corona-Pandemie gesehen. Da wurden einige Leben gerettet, die schnell und effizient die besten Behandlungsmöglichkeiten bekommen haben. Dabei ist auch zwischen den Häusern viel Vertrauen entstanden.

Bleiben Sie dem Universitätsklinikum auch nach dem Abschied als Medizinischer Vorstand erhalten? Welche Rolle wollen Sie weiterhin ausüben?
Ich bin ja ein Gewohnheitstier und liebe die Klinik. Immerhin bin ich seit 1993 da, und war auch schon vor meiner Zeit als Medizinischer Vorstand als Dekan und Klinikdirektor tätig. Da hat man viele Kontakte gesammelt und Privates geopfert. Das heißt, ich kann eigentlich gar nicht aufhören. Es gibt genug Anfragen, weil wir offensichtlich für unsere Expertise geschätzt werden. Aber was ich ge­nau machen werde, muss ich für mich noch sortieren. Jetzt fällt es mir erst einmal schwer aufzuhören.

Für die Langfassung dieses Interviews empfehlen wir Ihnen unseren topcast – den Podcast vom Top Magazin Dresden/Ostsachsen.

Interview: Philipp Demankowski

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