Punktgenaue Bestrahlung dank neuem Großgerät
Sie gehört nicht nur zu den führenden Experten auf dem Gebiet der Radioonkologie in Deutschland. Prof. Dr. med. Dr. Esther Troost ist darüber hinaus ein echtes Multitalent mit der seltenen Gabe, ihr mitunter kompliziertes Fachgebiet auch für Laien verständlich zu erklären.
Eine Fähigkeit, die der Professorin für Bildgestützte Hochpräzisionsstrahlentherapie auch bei ihrer Arbeit als Dekanin der Medizinischen Fakultät an der TU Dresden zugutekommt. Den Posten hatte Prof. Esther Troost Ende 2021 von Prof. Dr. med. habil. Heinz Reichmann übernommen, einem der Gründerväter der Hochschulmedizin in Dresden.
Zudem leitet Prof. Esther Troost gemeinsam mit Prof. Dr. med. habil. Mechthild Krause die Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie, die sich jüngst über einen spektakulären Neuzugang freuen konnte. Der Magnetresonanz-Linearbeschleuniger (MR-Linac) ermöglicht eine noch präzisere Bestrahlung beweglicher Tumoren mit Photonen und ist ab sofort im Einsatz. Wir sprachen mit Prof. Esther Troost über die Potenziale, die das neue Großgerät für die medizinische Versorgung mitbringt, über das 100-jährige Jubiläum der Strahlentherapie in Dresden sowie über ihre Ziele als Dekanin.
Mit dem MR-Linac verfügt das Universitätsklinikum seit Juni über ein spektakuläres neues Großgerät für die Strahlentherapie. Warum startet die Hochschulmedizin Dresden dadurch in ein neues Therapiezeitalter?
Prof. Esther Troost: Der MR-Linac ist eine Kombination aus einem Magnetresonanztomographie-Gerät (MRT) und einem Linearbeschleuniger (Linac) für die Bestrahlung. Mit dem MRT können wir sehr genau Weichgewebe und entsprechend auch Weichgewebstumore erkennen, zum Beispiel in der Leber oder in der Bauchspeicheldrüse. Der große Vorteil des Geräts ist, dass die MRT-Bildgebung in Echtzeit möglich ist und dadurch der Bestrahlungsplan kurzfristig angepasst werden kann. Sogar während der Bestrahlung kann das Gewebe beobachtet werden, so dass bei Bestrahlung falscher Areale der Vorgang gestoppt werden kann. Dadurch lässt sich auch bewegliches Gewebe präzise bestrahlen. In Deutschland gab es bislang nur drei solcher Geräte. Wir haben das vierte und das erste in den ostdeutschen Bundesländern.
Wird das Gerät schon für die Patientenversorgung eingesetzt?
Alle Patienten werden im Rahmen von klinischen Studien behandelt, mit denen wir innovative Therapiekonzepte entwickeln. Das vom Freistaat Sachsen über europäische Fördermittel finanzierte Gerät ist also zunächst erst einmal für die patientennahe Forschung gedacht. Zum Beispiel möchten wir die punktgenaue Bestrahlung weiter verbessern und die Anzahl der notwendigen Bestrahlungen wenn möglich verringern – dies bei gleicher Tumorkontrolle und möglichst weniger Nebenwirkungen.
Welche Weiterentwicklung streben Sie für die technische Infrastruktur an?
Hinsichtlich der Technologie sind wir in Dresden im internationalen Vergleich schon jetzt einer der führenden Standorte. Wir haben drei hochmoderne Linearbeschleuniger, mit denen wir auf Basis von Röntgenbildern bestrahlen können. Zudem haben wir seit 2014 eine Protonentherapie-Anlage, die Patienten ebenfalls röntgenbasiert positionieren kann. Dazu kommt jetzt der MR-Linac. Eine Weiterentwicklung ist dann die MRT-integrierte Protonentherapie. Wir sind weltweit führend in der Entwicklung dieses neuen Gerätes, was die Echtzeitbildgebung und die präzise Protonentherapie kombiniert und beabsichtigen, in den nächsten Jahren erste Patienten zu behandeln.
Die Einweihung des MR-Linac ist gleichzeitig der Höhepunkt des Jubiläums anlässlich 100 Jahre Strahlentherapie in Dresden. Warum konnte sich der medizinische Standort Dresden in der Disziplin so sehr profilieren?
Die Strahlentherapie in Dresden hatte seit Anbeginn immer sehr gute Förderer. Zudem gab es medizinische Persönlichkeiten, die das Feld wesentlich geprägt haben. Auch in der DDR war die Strahlentherapie in Dresden führend. In den neunziger Jahren ist dann Prof. Michael Baumann nach Dresden gekommen, der gemeinsam mit Universitätsklinikum Dresden und dem jetzigen Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf durch das gezielte Stellen von Förderanträgen eine wegweisende Infrastruktur für Protonentherapie aufgebaut hat. Dabei ist etwa das Nationale Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – OncoRay entstanden, das Klinik, Strahlenbiologie und Medizinphysik verzahnt und auch über das entsprechende Equipment verfügt. Darüber hinaus wurde im neuen Gebäude des Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen von vornherein ein Bunker für den MR-Linac mit eingeplant, obwohl es öffentlich nicht kommuniziert wurde. Man denkt in Dresden eigentlich immer drei Schritte weiter. Gemeinsam mit Frau Prof. Mechthild Krause ist es gelungen, auch die Klinik international immer besser zu vernetzen und dabei mit verschiedenen innovativen Therapieansätzen stets sichtbar zu bleiben.
Gibt es dennoch Entwicklungsschritte, die Sie sich noch wünschen?
Technisch sind wir hervorragend aufgestellt und können die aktuell laufenden Studien zu einem guten Ende bringen. Wir werden aber die Rekrutierung und Schulung der Mitarbeiter noch mehr in den Fokus rücken, um die Strahlentherapie weiter voranzubringen. Da geht es etwa um Kooperationen mit anderen Standorten, die Protonentherapie betreiben. Wir sind da in guten Gesprächen sowohl mit den Zentren als auch mit den Geräteherstellern. Zudem gibt es bereits internationale Konsortien, in denen der Standort Dresden eine führende Rolle einnimmt und die sich zum Ziel gesetzt haben, dass die Behandlungsresultate und Daten allen Zentren zur Verfügung gestellt werden.
Sie sind nun auch die Dekanin der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden? Mit welchen Überzeugungen haben Sie das Amt angetreten?
Die Medizinische Fakultät steht wie so viele Institutionen vor dem Hintergrund von Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine vor großen Herausforderungen, vor allem auch finanzieller Natur. Wir sind im nationalen und internationalen Vergleich hervorragend aufgestellt und wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass die TU Dresden eine Exzellenzuniversität bleibt. Es soll nicht dazu kommen, dass wir Großprojekten eine Absage erteilen, weil wir kein Geld haben. Vielmehr geht es darum, schlaue Lösungen zu finden, um Ressourcen gemeinsam zu nutzen und die Forschenden finanziell zu unterstützen. So wie es der Dresdner Spirit vorgibt. Über allem steht dabei das Ziel, die Marke Hochschulmedizin Dresden im engen Schulterschluss mit dem Universitätsklinikum weiter zu profilieren. Es freut mich sehr, dass die Vorstände mir für diesen Weg das Vertrauen ausgesprochen haben.
Interview: Philipp Demankowski