Mit dem Roboter gegen Tumore
PD Dr. Michael Schweigert setzt verstärkt auf roboterassistierte Chirurgie bei Operationen im Brustkorb. Die Möglichkeiten in den Hybrid-OPs im neuen Operativen Zentrum helfen dem Thoraxchirurgen bei der Lokalisation und Resektion kleiner Lungentumore.
In den Hybrid-OPs im neuen Operativen Zentrum Haus 32 so wie im angeschlossenen Haus 59 wird Dr. Michael Schweigert in Zukunft immer häufiger anzutreffen sein. Zwar werden die Säle vor allem von Kollegen aus der Gefäßchirurgie genutzt, doch auch bei bestimmten Eingriffen in der Thoraxchirurgie profitieren die Mediziner von den technischen Möglichkeiten der Hybrid-OPs. So wird das Team um Dr. Michael Schweigert die Säle für die Lokalisation und Entnahme kleiner Lungentumore nutzen. Kleine Lungentumore sind während der OP für den Chirurgen oft nur schwer aufzufinden. Daher ist in vielen Fällen eine offene Operation, bei der die Mediziner den Tumor im wahrsten Sinne des Wortes ertasten müssen, notwendig. Gerade jedoch kleine Lungentumoren sind ideal für die minimalinvasive Chirurgie, welche den Patienten einen großen Schnitt erspart. In dieser Situation ist der Hybrid-OP sehr hilfreich, um den Patienten einen schonenderen Eingriff zu ermöglichen.
„Wenn der Patient im Hybrid-OP liegt, können wir die CT-Bildgebung nutzen, um kleine Tumorherde zu identifizieren und zu markieren, die mit der üblichen Brustraumspiegelung nicht zu entdecken sind“, sagt der Thoraxchirurg.
OP-Dauer und -Belastung stark reduziert
Die Patienten bekommen dabei im Hybrid-OP CT-gesteuert eine Drahtmarkierung der Läsion, so dass die Tumorherde für die Operateure lokalisierbar sind. Danach können die Tumore sofort entfernt werden, zumal die Patienten ohnehin noch unter Narkose sind. Es muss also kein zweites Mal anästhesiert werden. Dadurch findet sowohl Lokalisation als auch Resektion in einem Operationsvorgang statt, was nicht nur die Dauer des Eingriffs, sondern auch die Belastungen für den Patienten reduziert. Nachdem den Ärzten der Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie mit der Fertigstellung des Operativen Zentrums nun zwei Hybrid-OPs zur Verfügung stehen, werden Kapazitäten für Eingriffe wie die Entfernung kleinerer Lungentumore frei. In Zusammenarbeit mit der Radiologie werden in Zukunft weitere innovative Techniken zur Lokalisation kleiner Lungentumoren erforscht. Insbesondere der CT-gestützte Einsatz von Fluoreszenzfarbstoffen soll erprobt werden.
Mit dem Roboter durchs Schlüsselloch
Für die Entfernung größerer Bronchialkarzinome nutzen PD Dr. Michael Schweigert und sein Team zudem das Da Vinci-Operationssystem. Ohnehin ist die minimalinvasive Vorgehensweise bei der sogenannten Lobektomie der Lunge, die bei Thoraxchirurgen zu den häufigsten Eingriffen gehört, inzwischen Standard. Mit einem roboterassistierten Chirurgiesystem kann der Eingriff in komplizierten Situationen noch verfeinert werden. Während eine Operation am offenen Brustkorb gerade für ältere und mehrfach kranke Patienten mit einer erheblichen Belastung einhergeht, ist der Eingriff mit dem Roboter weitaus schonender. „Der Roboter hat den Vorteil, dass er absolut ruhig ist, was eine hohe Präzision der Einschnitte zur Folge hat“, erklärt PD Dr. Michael Schweigert. Drei der vier Arme des Roboters sind mit auswechselbaren Spezialinstrumenten bestückt. Der Operateur steuert die Arme. Zudem werden durch die integrierte 3D-Kamera am vierten Arm deutlich mehr Metastasen aufgespürt. Dadurch können die Patienten nach der Operation zielgerichteter und individueller behandelt werden. Natürlich braucht es für die Führung des Roboters an der Steuerkonsole einen erfahrenen Chirurgen.
Behandlung von Patienten mit Tumoren des Mediastinums
Das zweite Operationsverfahren, das von den Thoraxchirurgen im Zusammenhang mit dem Da Vinci-Roboter genutzt wird, ist die Behandlung von Patienten mit Tumoren des Mittelfellraums (Mediastinum). Während die minimalinvasive Entfernung eines Lungentumors auch ohne Roboter gut und schnell funktioniert, kommen die Vorteile des Da Vinci-Roboters gerade bei Eingriffen im Mediastinum besonders zum Tragen, da in diesem Bereich nur ein sehr begrenzter Handlungsraum zur Verfügung steht. Durch die dreidimensionale Auflösung an der Steuerkonsole wird den Chirurgen mit dem Roboter zusätzlich eine viel größere Übersicht geboten. „Gerade in diesem starren Raum sind die Vorteile der roboterassistierten Chirurgie wirklich unschlagbar“, sagt PD Dr. Michael Schweigert.
Ständige Weiterentwicklung
Zwar verfügt der Spezialist bereits über einen großen Erfahrungsschatz im Umgang mit minimalinvasiven Operationsmethoden, doch will er auch darüber hinaus dazu beitragen, dass potenzielle Techniken und Verfahren im Umgang mit dem Da Vinci-Roboter entdeckt und weiterentwickelt werden. Dafür arbeitet er im Team mit sechs erfahrenen Medizinern zusammen. Da sich die Techniken sowohl in der roboterassistierten als auch in der minimalinvasiven Chirurgie ständig verbessern, ist eine stetige Fortbildung auch für die erfahrenen Ärzte notwendig. Um sich mit den neuen Operationsverfahren vertraut zu machen, besucht das Team regelmäßig das Trainingszentrum IRCAD (Institut de recherche contre les cancers de l’appareil digestif) in Straßburg, in dem die Innovationen im Rahmen einer Simulation erprobt werden können. Für eine bessere Nachvollziehbarkeit der Eingriffe mit dem hochmodernen Gerät werden zudem Daten wissenschaftlich ausgewertet, so dass sie als Entscheidungsgrundlagen für zukünftige Operationsmethoden dienen können. Dazu hat sich das Dresdner Uniklinikum mit den vier großen Uniklinika in Hamburg-Eppendorf, der Charité Berlin, in Heidelberg und in Schleswig-Holstein zusammengeschlossen und eine gemeinsame Datenbank etabliert, in der die Ergebnisse der roboterassistierten Chirurgie gespeichert werden.
Gründung des Ostdeutschen Lungenzentrums
Die Gründung des Ostdeutschen Lungenzentrums (ODLZ) ergänzt die Expertise. Die Kooperation von Strahlentherapeuten, Nuklearmedizinern und Thoraxchirurgen des Uniklinikums mit den Fachärzten des auf Pneumologie spezialisierten Fachkrankenhauses Coswig gibt es zwar schon seit mehreren Jahren, doch mit der Gründung des Zentrums ist es nun möglich, die Versorgung von Lungenerkrankten zu zentralisieren und überregional zu steuern. Die Bündelung der Kompetenzen ist mehr als notwendig, immerhin sind Lungentumore bei an Krebs erkrankten Männern die häufigste und bei betroffenen Frauen die zweithäufigste Todesursache. Zudem stieg die Anzahl dieser Todesfälle in den vergangenen zehn Jahren um beinahe 20 Prozent, während die Zahl der Patienten, die wegen der Folgen des Rauchens stationär behandelt werden müssen, im gleichen Zeitraum um ein Drittel gestiegen ist.
Text: Philipp Demankowski