„Mama denk‘ an mich” – Eine Perspektive für Crystal-abhängige Mütter

Professor Ulrich Zim­mer­mann, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Leiter der Sucht­ambulanz am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden / Foto: Felix Posselt
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Wenn sich Crystal-abhängige Mütter ihrer Sucht stellen wollen, finden sie im Universitätsklinikum Dresden Unter­stützung: Das einmalige Versorgungsprojekt „Mama denk‘ an mich“ betreut betroffene Mütter und verstärkt auch Väter ambulant über Fachgrenzen hinweg. Das ist eine gute Chance für Eltern, ein suchtfreies Familienleben führen zu können und das Sorgerecht für ihre Kinder zu behalten.

Die Anzahl der Crystal-abhängigen Mütter, die im Uni­klini­kum entbinden, ist in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen. Die Kinder werden oft zu früh geboren und weisen Entzugserscheinungen auf. „Deshalb haben wir mit der interdisziplinären Initiative „Mama denk‘ an mich“ einfach das in Angriff genommen, was anstand“, sagt Professor Ulrich Zim­mer­mann, stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Leiter der Sucht­ambulanz. Im Verbund arbeiten die Kliniken für Frauen­heilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin sowie für Psychiatrie und Psychotherapie auch mit dem Jugendamt der Stadt sowie Suchtberatungsstellen seit über einem Jahr eng zusammen, um abhängigen Müttern wie auch Vätern den Einstieg in den Ausstieg zu ermöglichen.

Die Geburt des Kindes ist eine sehr starke Motivation, die eigene Sucht anzugehen. Deshalb setzen die Mediziner bereits während des Krankenhausaufenthaltes an, die Mütter dafür zu gewinnen, Unterstützung anzunehmen. „Die Kollegen vom FamilieNetz an der Klinik schicken die Mütter zu den Kollegen gleich auf der anderen Straßenseite, die ihnen dabei helfen, das mit dem Crystal in den Griff zu bekommen“, so Zimmermann. Für die Mütter gibt es in der Suchtberatung keine langen Wartezeiten, um sie unverzüglich einzubinden. Sucht macht sich nicht am Konsum fest, sondern an den Konsequenzen, die daraus folgen: Kontrollverlust, Entzugs­erschei­nungen, steigender Drogenkonsum, körperliche Schädi­gungen. Der Leiter der Suchtambulanz weiß: „Wenn die Frauen dies reflektieren, sind wir einen Schritt weiter und ich erkläre ihnen unsere Unterstützungsmöglichkeiten.“

Neben der Psycho­therapiegruppe gehört dazu auch der Abstinenz­nachweis, mit dem die Patientinnen dem Jugendamt nachweisen können, dass sie drogenfrei sind, um ihr Kind behalten zu können. In der Regel ist die Crystal-Abstinenz jedoch nicht das eigentliche Problem.

Prof. Zimmermann zählt typische Erkrankungen wie posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen oder ADHS auf: „Diese Droge überstrapaziert außerdem das Beloh­nungs­system im Gehirn dermaßen, dass es praktisch flach liegt. All dies berücksichtigen wir bei der Behandlung mit.”

Bisher haben sich 60 Mütter und auch Väter in der Sucht­ambulanz vorgestellt. Zwei Drittel der Patienten schlossen ihre Behandlung erfolgreich ab oder sind noch in ambulanter Therapie. Das wirkt sich auf die Anzahl der Neugeborenen aus, die mit ihren Eltern nach Hause gehen konnten: von 2015 auf 2016 stieg der Anteil von 37 auf 62 Prozent.„Ich kenne kein anderes interdisziplinäres ambulantes Therapieprojekt für Crystal-abhängige Mütter wie das unsere“, sagt Prof. Ulrich Zimmermann. „Wir haben einfach angefangen und verbessern das Konzept durch Erfahrung und Routine weiter. Das Ergebnis bestätigt uns.“

Birte Urban-Eicheler

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