Zahnarzt Dr. Conrad Kühnöl: „Wir brauchen mehr Effizienz in Diagnostik und Therapie“

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Im Gespräch mit Dr. Conrad Kühnöl über systemoptimierte Workflows, die Vorteile für Patienten und Praxis­personal und warum es dringend notwendig ist, die Digitalisie­rung 4.0 in deutschen Zahnarzt­praxen voranzutreiben.

Die weltweiten Krisen machen auch vor der Zahnmedizin nicht halt. Sie treffen in eine Zeit, in der es für Deutschlands Zahnärzte ohnehin immer schwieriger wird, ihre Praxen effizient zu betreiben und aufgrund des Fachkräftemangels geeignete Nachfolger zu finden. Im Interview mit dem Top-Magazin spricht der Dresdner Zahnarzt Dr. Conrad Kühnöl über systemoptimierte Workflows, die Vorteile für Patienten und Praxis­personal und warum es dringend notwendig ist, die Digitalisie­rung 4.0 in deutschen Zahnarzt­praxen voranzutreiben.

Wie beurteilen Sie die momentane Krise?
Europa bewegt sich seit einigen Jahren in eine Richtung, die weder nachhaltig noch zukunftsorientiert ist. Der ursprüngliche Plan war, die Forschung und Entwicklung zu übernehmen und die Produktion nach Asien, Nordafrika und Südamerika auszulagern. Mittlerweile findet in Asien eine Entwicklung statt, vor allem von zukunftsorientierten, digitalen Technologien, welche unserer Forschung an Effizienz teilweise überlegen ist. Die derzeitige Angleichung der Energiepreise an das Weltmarktniveau durch diesen sinnlosen Krieg in der Ukraine sowie die Pandemie haben dieses Manko nur beschleunigt und offengelegt.

Wie äußert sich dieses Manko im Arbeitsalltag?
Die Lieferkettenproblematik von Vorprodukten ist doch ein deutliches Indiz. Aufbauend auf billigen Importen hat sich ein scheinbarer Wohlstand entwickelt, auf dem sich unsere Gehaltsvorstellungen und unser Wohlstandsempfinden aufbauen. Um in Zukunft wieder einen stabilen Wohlstand zu schaffen, ist es dringend notwendig, technologisch besser dazustehen, um eine effiziente und qualitativ hochwertige, unabhängige Produktion zu reaktivieren. Wenn wir versuchen, zu überholen ohne einzuholen, wäre das, wie die Geschichte gezeigt hat, der falsche Weg. Ein weiteres Problem sind unsere monatlichen Arbeitszeiten. In den oben genannten Regionen liegen sie derzeit bei 45 Stunden, in Deutschland 2021 bei 34,7. Hier fehlen systemoptimierte Workflows, um die Arbeitskräfte nicht überzubelasten und trotzdem qualitativ hochwertige Produkte zu akzeptablen Preisen zu erzeugen.

Trifft diese Entwicklung auch auf die Zahnmedizin zu?
In Teilen ja. 1991 hatten wir ca. 60.000 aktive Zahnärzte. 2021 arbeiteten 72.468 Zahnärzte in Deutschland. Wenn man sich die reinen Zahlen anschaut, ist der Mangel nicht ersichtlich. Durch eine deutliche Veränderung des Arbeitsver­haltens fehlt hier allerdings die nötige Effizienz. Die durchschnittliche Arbeitszeit fiel von 38,4 Stunden 1991 auf 34,7 Stunden 2021. Rechnet man den Urlaub und die Feiertage raus, bleiben 26 Stunden pro Woche übrig. Das ist der geringste Wert weltweit. Wir brauchen also mehr Effizienz in Diagnostik und Therapie.

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Wie reagieren Sie in Ihrer Praxis auf diese Probleme?
Da diese Entwicklung schon seit mehreren Jahren offensichtlich ist, haben wir konsequent unsere Praxis auf ein digitales Datencontainer-System dental 4.0, ähnlich der Industrie 4.0, umgestellt, also einer Automatisierung der digitalen Diagnostik und Therapie unter Zuhilfenahme von KI. Vorteil gegenüber dental 3.0, der Digitalisierung analoger Prozesse, ist die absolute Datenkompatibilität. Wir können somit den virtuellen Zwilling vom Patienten erstellen.

Welche Vorteile hat der Patient von seinem virtuellen Zwilling?
Wesentliche diagnostische Vorgänge können so auf große Datenmengen zurückgreifen und durch ein Monito­ring automatisiert eine deutlich bessere Diagnose stellen als durch reines Nachschauen. Dieselben Daten können dann für die Therapie verwendet werden. Das erspart dem Patienten Doppel­behandlungen, dem Zahnarzt und dem Patienten Zeit. Wirtschaftlich größere Effizienz ist somit preiswerter für den Patienten. Die Ergebnisse der durch den Zwilling simulierten Operationen werden nur noch auf den Patienten übertragen. Dadurch entstehen wesentlich weniger Belastung und somit weniger bis keine Ausfallzeiten für den Patienten.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Ist der Patient virtuell mit Implantaten voroperiert, dauert der eigentliche Eingriff beim Patienten nur noch wenige Minuten. Das Aufschneiden des Zahnfleisches entfällt, die Kosten werden deutlich reduziert und das zukünftige Ergebnis wird schon vorher gezeigt. Das Ergebnis ist voraussagbarer, der Patient muss deutlich weniger leiden. Es ist wesentlich preiswerter für den Patienten und trotzdem wirtschaftlicher für die Einrichtung. Es erfolgt eine Kontrolle des Behandlers bei gleichzeitiger virtueller Hilfestellung, eine nicht manipulierbare Dokumentation und durch virtuelle Materialverarbeitung eine deutliche Entlastung der Umwelt. Die gleichen Datensätze können später bei Untersuchungen zum Beispiel bei der Abnutzung der Zähne einfließen oder zur Rekonstruktion nach einem Unfall. Durch die digitalen Technologien werden gleichzeitig ca. 70 Prozent des Materials eingespart, was die Lieferketten entlastet, weil nicht produziert und verarbeitet werden muss. Somit wird die Effizienz der Mitarbeiter gesteigert und gleichzeitig eine ökologisch sinnvolle Lösung erzielt.

Zahnarztpraxis Dr. med. dent. Conrad Kühnöl
Bayreuther Straße 30 I 01187 Dresden I Telefon: 0351 471 09 70
www.kuehnoel.de

Interview: Ute Nitzsche

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