Ein Haus für alle Gerinnungsstörungen
Im Haus 66 arbeiten die Gerinnungsexperten des Universitätsklinikums Dresden (UKD) künftig in einer gemeinsamen Ambulanz.
Die Blutgerinnung ist ein wichtiger Prozess im menschlichen Körper, dient sie doch dem Verschluss von Wunden. Ist das Zusammenspiel von Blutplättchen und Gerinnungsfaktoren gestört, kommt es entweder zu einer erhöhten Blutungs- oder Thromboseneigung. Hunderttausende Patienten in Deutschland sind betroffen und müssen oft lebenslang medikamentös behandelt werden: bei Neigung zu überschießender Gerinnselbildung mit Blutverdünnern und bei einer Blutungsneigung durch fehlende oder fehlerhafte Gerinnungsfaktoren im Blut müssen diese durch Spritzen oder Infusionen ersetzt werden. „Die Anzahl von Gerinnungspatienten steigt in Deutschland seit Jahren an – nicht jedoch die Anzahl der darauf spezialisierten Ärzte“, erklärt Oberarzt Prof. Dr. Jan Beyer-Westendorf, dessen Schwerpunkt in der Behandlung von Patienten mit Thromboseneigung und Blutverdünnern aus ganz Sachsen liegt. Damit kommt auch die Beratungskapazität der Gerinnungsambulanz am Dresdner Uniklinikum an ihre Grenzen. „Zudem werden Patienten immer älter (und kränker) und gleichzeitig entwickelt sich die Medizin schnell weiter. Da braucht es regelmäßige Checks, ob Patient und Therapieempfehlung noch zusammenpassen“, sagt Jan Beyer-Westendorf.
Unter einem Dach
Um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen, investiert das UKD immer weiter in das Beratungsangebot. So arbeiten die bisher in verschiedenen Häusern angesiedelten Experten zukünftig gemeinsam im Haus 66 – auch die Oberärztinnen Dr. Karolin Trautmann-Grill und Dr. Sandra Marten, welche sich auf erwachsene Patienten mit Blutungsneigungen spezialisiert haben. Doch auch die traditionell bestehende Trennung zwischen Kindern und Erwachsenen mit Gerinnungsproblemen wird in der neuen Ambulanz zukünftig aufgelöst, weil junge Patienten einerseits durch Diagnose und Therapie sehr belastet sind und einen sensiblen Umgang benötigen, andererseits aber irgendwann die Pubertät und das Erwachsenenalter erreichen. Dieser Übergang wird in einer Transitions-Sprechstunde gemeinsam mit dem Team des Kinderarztes Prof. Dr. Ralf Knöfler begleitet, welcher seit vielen Jahren eine Gerinnungs- und Hämophilie-Sprechstunde in der Kinderklinik leitet.
Trends und Therapien
Die neu geschaffene zentrale Gerinnungsambulanz soll auch für andere Ärzte innerhalb des Krankenhauses eine Erleichterung bringen, wenn etwa ein Patient mit einem Gerinnungsproblem vor einer Operation steht. Schon im Rahmen der vorstationären OP-Planung kann im Haus 66 gezielt das perioperative Gerinnungsmanagement festgelegt werden.
Neben der klinischen Versorgung arbeiten die Ärzte in der Studienambulanz „Thromboseforschung und Gerinnungsstörungen“ unter der Leitung von Prof. Dr. Beyer-Westendorf zudem an klinischen Studien, in denen die Erforschung neuer Blutverdünner und Hämophilie-Medikamente, aber auch der Transfer von Erwachsenenmedikamenten auf erkrankte Kinder wissenschaftlich begleitet werden.
Ohnehin gibt es viele neue Therapietrends. „Bei den Blutungsneigungen gibt es zwei wesentliche Entwicklungen“, erklärt Beyer-Westendorf: „Einerseits wird die Wirksamkeit der Faktorenersatzpräparate so verlängert, dass sich die Patienten seltener spritzen müssen. Andererseits verspricht die Gentherapie, diese Krankheiten zukünftig sogar heilen zu können.“ Und bei der Thrombosetherapie erwartet der Experte zeitnah große Fortschritte durch ein völlig neues Therapiekonzept: Die Faktor-XI-Hemmer sollen zukünftig eine überschießende Gerinnselbildung verhindern, ohne das Blutungsrisiko zu erhöhen. Doch neben diesen vielversprechenden Entwicklungen muss auch die Ausbildung junger Ärzte auf dem Gebiet der Blutgerinnungsstörungen priorisiert werden.
Redaktion: Philipp Demankowski