Zukunft mitgestalten
Der Neubau eines Klinikgebäudes mit ca. 11.000 m² Nutzfläche und vielen verschiedenen und teilweise medizintechnisch hoch installierten Funktionsflächen ist eine enorme Herausforderung, an der nicht nur das Bauherrenteam gewachsen ist. Gefühlt waren die Mitarbeiter des halben Klinikums involviert und dabei sehr interessiert und engagiert. So durften etwa Mitarbeiter des Bauherrnteams Medizinern, Pflegekräften und Servicepersonal über die Schulter schauen, um die Prozesse besser zu verstehen. Der Leiter des Bauherrenteams, Dr. Thomas Runge, blickt zurück.
Was ist in der Gestaltung der zukünftigen Arbeitswelt wichtig? Was hat sich bewährt, und was sind Schwachstellen? Was lohnt sich in der Planung im Detail zukünftig besser zu machen?
Klinikprojekte im Umfang von 111 Millionen Euro sind kein Tagesgeschäft und erfordern im großen Stil Teamarbeit, nicht nur zwischen dem Planungs- und Bauherrenteam.
Zukunft mitgestalten bedeutet für alle Beteiligten Visionen zu haben, Trends in der Entwicklung der Medizintechnik, der Digitalisierung aufzuspüren und in den Planungsprozess einzubringen. Es sind die kleinen und großen Herausforderungen eines solchen Projektes, die eine spürbare Begeisterung und damit das erforderliche Engagement erzeugen, dass zum Gelingen des Projekts notwendig ist.
Was waren große Herausforderungen?
Hier hat sicherlich jeder eine andere Sichtweise. Für mich bestand sie darin, den Planungs- und Bauprozessen möglichst um Monate voraus zu sein. Probleme frühzeitig erkennen und Lösungsangebote zu unterbreiten.
Die Lage des Baufeldes und die vorhersehbaren Einschränkungen und Belastungen aus dem Bauprozess für Mitarbeiter, Patienten und Besucher erforderte eine immerwährende Logistikplanung nicht nur für die Bauprozesse, sondern in erster Linie für die Aufrechterhaltung des Betriebes in den umgebenden Klinikgebäuden.
Es ist schon länger her, aber begonnen haben wir mit dem Neubau von Klinikstraßen und der neuen internen Zu- und Ausfahrt an der Pfotenhauerstraße. Diese vorgezogene Maßnahme sicherte zu jeder Zeit des Bauprozesses einen Zugang zu den Liegendkrankenvorfahrten der Augenklinik und Chirurgie Haus 59.
Schon an zweiter Stelle der Herausforderungen würde ich die dauerhafte notwendige „Moderation“ sehen. Es ist eine fortwährende Abwägung und Prüfung vieler verschiedener Interessenslagen und Nutzeranforderungen. Dabei sind es die vielen Detailentscheidungen, die getroffen und erklärt werden müssen. Dabei gab es nicht immer Zustimmung, aber auch Verständnis.
Wir empfinden die Zusammenarbeit und vor allem die dabei entgegengebrachte Unterstützung vieler Fachabteilungen des Klinikums als Anerkennung unserer Bemühungen um tragfähige Kompromisse.
Das Baby ist zwischenzeitlich gewachsen, noch wissen wir nicht, ob all die Überlegungen und Entscheidungen sich im zukünftigen Betrieb bewähren. Wir wollen dieses Projekt nicht nur in der Phase der Inbetriebnahme begleiten, sondern auch aus dem anlaufenden Betrieb Erfahrungen für zukünftige Projekte sammeln.
Was waren unsere Visionen?
Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt. So auch ganz sicher im Neubau. Zu Beginn des Projektes haben wir in Anlehnung an das Bundesforschungsprojekt OR net (steht für vernetzten OP Betrieb, d.h. die im OP eingesetzte Medizintechnik ist untereinander vernetzt und bietet den Operateuren Arbeitshilfen) nach Möglichkeiten der Umsetzung unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen aus dem Medizinproduktegesetz gesucht. Schnell wurden die Grenzen deutlich. Schnittstellen zwischen den verschiedenen Herstellern von Medizintechnik sind noch nicht standardisiert und somit heute nicht wirklich als integrierte, produktneutrale Lösungen umsetzbar. Schon heute ist allerdings die Schaffung einer digitalen Infrastruktur im OP möglich, die den zukünftigen Datentransfer für eine spätere integrierte Lösung nachrüsten lässt. Gefunden wurden aber auch Entwicklungstendenzen zur Bildsteuerung, -management und 3D-Visualisierung digitaler Bildgebung. Mitarbeiter im Geschäftsbereich IT ließen sich für diese neuen Technologien begeistern. Und dies trotz der bei einem solchen „Zukunftsprojekt“ zahlreichen Problemstellungen der IT-Sicherheit insbesondere beim OP-Prozess.
Aber zur Vision gehören immer noch eine oder mehrere Firmen, die dies auch umsetzen können. Gemeinsam wurden Aufgabenstellungen für die Digitalisierung im OP geschrieben, deren Umsetzung im Detail bisher noch nicht realisiert waren. Insofern ist auch die Projektlaufzeit von zwei Jahren für die Digitalisierung im OP verständlich.
Den Operateuren werden mit der Digitalisierung Arbeitshilfen an die Hand gegeben, deren Umsetzung im OP-Prozess spannend wird. Was nützt die beste Software, wenn die Bedienung nicht intuitiv und ohne Hilfestellung ermöglicht wird?
Es gab aber auch Visionen, deren Umsetzung aus Kostengründen (Wirtschaftlichkeit) scheiterte. Das Planungsteam hatte die Grundrisse noch nicht vollständig gezeichnet, da wurde bereits nach mehr Lagerfläche im OP gerufen. Basierend auf einer alten Erfahrung, dass Lagerflächen immer belegt sind und damit der Beweis zu geringer Lagerfläche angetreten wird. OP-Platten finden sich am Ende eines OP-Tages in der OP- Plattenreinigung oder im OP-Plattenlager. Wir hatten die Vision eines Paternosterlagers für OP-Platten – zu teuer, weil Sonderanfertigung. Hersteller haben abgewunken, weil sie die OP-Platten auch ohne Lager verkaufen können.
Mitarbeiter profitieren
Seitens der Vorstände des Klinikums gab es zu Projektbeginn auch die Idee, im OP-Bereich den Mitarbeitern eine Cafeteria zu bieten. Dies ist nach meiner Kenntnis in Deutschland einmalig. Mit dem Neubau und der Realisierung einer OP-internen Verbindung zwischen dem Operativen Zentrum Haus 58, Chirurgie Haus 59 bis zu den OP-Sälen der Augenklinik Haus 33 werden sehr viele OP-Mitarbeiter von diesem Angebot profitieren.
Die anfängliche Skepsis, begründet in den besonderen Hygieneanforderungen für den OP-Bereich, ist im Wollen, den Mitarbeitern zukünftig verbesserte Arbeitsbedingungen zu bieten, schnell gewichen. Jetzt im Nachhinein betrachtet war es planerisch relativ einfach. Es bedarf daher in Projekten ab und zu ein „Lösen“ von althergebrachten Vorstellungen.
Bauherrenschaft des Klinikums sinnvoll
Zum Abschluss noch eine Anmerkung zum geänderten Verfahren für Baumaßnahmen in der Hochschulmedizin im Freistaat Sachsen. Die bisherigen Projekterfahrungen zeigen, dass das Klinikum in der Gesamtbetrachtung von Investitionen und Baukosten die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel effizient, d.h. wirtschaftlich einsetzt. Die Beteiligung des Betreibers in der Planungsphase ist wesentlich intensiver als dies bei früheren Neubauprojekten der Fall war. Darüber hinaus kann der Bauherr bei durchschnittlichen Projektlaufzeiten von ca. fünf Jahren aufgrund veränderter Rahmenbedingungen notwendige strategische Entscheidungen auf direktem Weg in die Planung einfließen lassen. Die Bauherrenschaft des Klinikums ermöglicht unternehmerische Entscheidungen im Sinne des Versorgungsauftrages bei der Umsetzung der Projekte.
Text: Dr. Thomas Runge