Faszinierend und komplex

Neues Operatives Zentrum / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Thomas Albrecht
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Mit dem Neubau des Hauses 32 entsteht eines der europaweit innovativsten Krankenhausbauten, das alle Beteiligten vor besondere Herausforderungen stellt.

Logistik ist (fast) überall, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag, auch in einem Krankenhaus. Patienten, Mitarbeiter, Be­sucher, Lieferanten – ein jeder hat andere Anforderungen. Genau jene unter einen Hut zu bringen ist eine der umfassendsten Aufgaben, wenn es wie im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden um einen Neubau geht. Das Haus 32 ist die neue Drehscheibe für die Chirurgie, eines der ambitioniertesten Projekte deutschlandweit, eines der modernsten in Europa.

Zwei Fakten gleichen denen einer normalen Baustelle: fünf Geschosse, knapp 11.000 Quadratmeter Nutzfläche. Alles an­dere ist ein faszinierend komplexes Gebäude – mit zahlreichen technischen Neuerungen und vielen Verbesserungen für die Patienten. 111 Millionen Euro investieren der Freistaat Sachsen und die Uniklinik Dresden in diesen Erweiterungs­bau für das Chirurgische Zentrum. 17 hochmoderne OP-Säle, eine chirurgische Notaufnahme, ein Ambulanzbereich sowie eine Intensiv- und drei reguläre Pflegestationen für insgesamt 132 Patienten entstehen.

Diesem Mammutprojekt war eine mehr als dreijährige Planung vorausgegangen. Ärzte, Planer und Schwestern schauten sich in anderen Krankenhäusern um, suchten Anregungen und mischten sie mit ihren Wünschen. Denn: Vorgegebene Wege mussten bestehen bleiben, alles mit der Hygiene abgestimmt, optimale Abläufe der Kranken­ver­sorgung gesichert werden. Dazu gehört auch die Entflechtung der vertikalen Verkehrsströme bei gleichzeitiger Realisierung der Trennung von Betten-, Personen- und Lastverkehr innerhalb des Hauses.

Baulich ging es also um nicht weniger als die ­Per­fek­tionierung des Verhältnisses zwischen geringstmöglicher Ver­kehrs- und höchstmöglicher Nutzfläche. Medizinisch ging es um die Ansprüche der Ärzte, Schwestern und die bestmöglichen Umgebungsvariablen für die Patienten. „Wir haben es hier mit einer umfassenden Logistikplanung zu tun“, sagt Dr. Thomas Runge, Chefbauleiter der Uniklinik. „Zum einen ist es der Neubau an sich, zum anderen dürfen die Kliniken im direkten Umfeld nicht von zu starkem Lärm betroffen werden, wichtige Fahr- und Gehwege müssen nutzbar sein.“ Um allen Auf­lagen gerecht zu werden sowie so viele Vorstellungen wie möglich in die Realität umzusetzen, etablierte der Klinik­vorstand ein Bauexperten-Team. Sie steuern und kontrollieren die Planer und alle Gewerke, sind die Kommunikations­schnittstelle zwischen Vorstand und den späteren Nutzern – also den Ärzten und Schwestern – sowie den Architekten und den Aufsichtsbehörden.

Neues Operatives Zentrum im Haus 32 / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Thomas Albrecht

Von der Stange kommt hier fast nichts, individuelle Lö­sun­gen waren gefragt. Die Themen sind dabei vielfältig: „In der medizinischen Bauplanung wurde über sehr viele Jahre propagiert, dass alles interdisziplinär nutzbar sein muss“, sagt Dr. Thomas Runge. „Das entspricht nicht mehr der Realität, da die Technik so hochspezialisiert ist, dass es keinen Sinn macht, regelmäßig alle Geräte ab- und wieder aufzubauen.“ Gearbeitet wird nun mit teilweise festen Zuord­nun­gen. Trotzdem wurde in der Planung darauf geachtet, dass Festeinbauten wie Medienanschlüsse für die Medizin­technik und Monitore möglichst identisch in allen Opera­tions­sälen angeordnet sind. „Wir sehen dies als eine Unterstützung der Abläufe im Operations­prozess. Zudem müssen wir natürlich durch den Fortschritt der Technik damit rechnen, dass sich Schwerpunkte verschieben.“ Hätte man beispielsweise einen Operationssaal geplant, in dem haupt­sächlich Rachenmandeln – oder auch Tonsillen – entnommen werden, dann wäre dieser nun verwaist. Eingriffe wie dieser finden heute fast immer ambulant statt. „Um für Verän­de­rungen gerüstet zu sein, ist eine flexible Bauweise entscheidend, die uns Handlungsspielraum gibt.“ Das gilt auch für große Gerätschaften. Das MRT wurde mit einem Kran in das Gebäude hineingehoben. Doch was passiert nach etwa zehn Jahren, wenn es gegen ein neueres getauscht werden muss? „Es galt daher schon in der Planung die zukünftigen Betreiberprozesse zu berücksichtigen“, sagt Dr. Tho­mas Runge.

Bei der gesamten Gebäudeplanung machten sich mehrere Arbeitsgruppen aus den unterschiedlichen Bereichen Ge­danken, welcher Bedarf besteht. Dazu musste das Patienten­aufkommen zum Ersten festgestellt, zum Zweiten hochge­rechnet werden. Im Röntgenbereich ermittelten Physiker unter anderem, wie die entstehende Strahlendosis innerhalb der vorgeschriebenen Grenzwerte bleibt, um Beeinträchti­gun­gen für Mitarbeiter und Patienten auszuschließen. „Das Pa­tien­ten­aufkommen bestimmt die Strahlendosis, und die Strah­len­dosis bestimmt wiederum die notwendigen Ab­schirmungs­maßnahmen. Die Strahlenschutzberechnung der Physiker haben uns geholfen, die Baukonstruktion zugunsten von mehr OP-Fläche zu optimieren. Es ging immerhin um Wandstärken zwischen 25 und 70 cm“, so Dr. Thomas Runge. Das Gewicht der mobilen Medizintechnik des Bestrahlungs­gerätes erfordert zudem einen speziellen Fußbodenaufbau in den dafür geplanten Transportwegen.

Ein Großteil der Gebäude auf dem Campus steht unter Denk­malschutz. Insofern war die medizinisch notwendige di­rekte Verbindung zwischen der Pflegestation der HNO-Klinik und den neuen Operationssälen im Haus 32 eine gestalterische Herausforderung für die Architekten. In zahlreichen Gesprä­chen mit der Denkmalschutzbehörde wurden in einem längeren Planungsprozess die jetzt realisierten Brücken­ver­bin­dun­gen gemeinsam geplant. Bedruckte Scheiben halten die Hitze im Sommer ab. „Die Flügel sind versetzt angeordnet und können geöffnet werden. Dadurch entsteht bei hohen Tempera­turen ein Luft­zug, drinnen ist es dann maximal zwei Grad wärmer als draußen“, sagt Dr. Thomas Runge. „Im Winter steht die Fuß­bodenheizung auf 17 Grad. Egal in welcher Jahreszeit können Patienten also über diesen Weg ohne Unannehm­lichkeiten hin- und hergebracht werden.“ Die gemeinsam mit den Medi­zinern und Planern formulierten Temperatur­begren­zungen sind ein entscheidendes Element zur Energieeinsparung.

Ein weiterer Blickfang von außen: Ein etwa 13 Meter langes Brückenelement verbindet nun den Dachlandeplatz des Ret­tungs­hubschraubers auf dem Haus 59 mit den neuen Behand­lungsräumen der chirurgischen Notaufnahme.               

Text: Ivette Wagner

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