Millimeterarbeit am Rückgrat
Mit dem neu errichteten Operativen Zentrum im Haus 32 erhält auch die Wirbelsäulenchirurgie ein optimales Umfeld für eine zunehmend digitalisierte Medizin.
Der Erfolg der Wirbelsäulenchirurgie ist eng mit der Entwicklung innovativer Bildgebungsverfahren verbunden. Detaillierte, dreidimensionale Bilder aller Strukturen geben den Chirurgen wichtige Hinweise, um Eingriffe optimal planen und ausführen zu können. Dazu nutzen die Mediziner Navigationssysteme, die mit Daten aus Computertomograf (CT) und Magnetresonanztomograf (MRT) arbeiten. Diese Systeme unterstützen die Ärzte dabei, millimetergenau zu operieren. Dabei geben Erfahrungsschatz, Know-how sowie interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit des OP-Teams den entscheidenden Ausschlag für den Erfolg eines jeden Eingriffs.
Präzision auch in komplexen Regionen
Eine evidenzbasierte und leitliniengerechte Wirbelsäulenchirurgie umfasst heute alle modernen Verfahren der bildgebenden Diagnostik und operativen Therapie von Wirbelsäulenleiden. Insbesondere die Möglichkeiten der intraoperativen, zwei- oder dreidimensionalen Bildgebung einschließlich einer computergestützten Navigation erlauben heute einen enormen Zugewinn an intraoperativer Orientierung. Diese vom UniversitätsWirbelsäulencentrum, bestehend aus der Klinik für Neurochirurgie und dem UniversitätsCentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie des Dresdner Uniklinikums (OUC) angewandten Technologien ermöglichen es den Chirurgen, auch bei Operationen in anatomisch komplexen Regionen minimalinvasive Zugänge zu nutzen. Das vom UniversitätsWirbelsäulencentrum angebotene Spektrum der Eingriffe reicht von klassisch offenen Verfahren über mikrochirurgische, minimalinvasive bis hin zu endoskopisch assistierten oder navigationsgestützten OP-Techniken. Das neue Zentrum bietet mit seinen verschiedenen OP-Sälen und modernster Ausstattung beste Voraussetzungen für die Mediziner.
Keine Schädigung durch Kontrolle der Nervenströme
Die Verfahren sind an allen Abschnitten der Wirbelsäule einsetzbar: Bei der Behandlung von Verletzungen, Fehlbildungen und degenerativen Veränderungen ebenso, wie beim operativen Entfernen von Tumoren oder von entzündlichen Veränderungen. So ist es den spezialisierten Chirurgen des Wirbelsäulencentrums heute möglich, nahezu in allen Lebensabschnitten Veränderungen der Wirbelsäule mehrdimensional zu korrigieren und die Ausrichtung beziehungsweise das Profil der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte wiederherzustellen. Dass hierbei keine Schädigungen und funktionelle Defizite des Rückenmarkes und der Nervenwurzeln auftreten, lässt sich während der Operation durch das sogenannte intraoperative Neuromonitoring – also die Kontrolle der Nervenströme – kontinuierlich überprüfen.
Bei Wirbelkörperbrüchen wenn möglich minimalinvasiv
Verletzungen der verschiedenen Wirbelsäulenabschnitte reichen von einfachen, durch Osteoporose hervorgerufene Brüche bei alten Menschen, bis hin zu hochinstabilen Wirbelkörperfrakturen mit Verlegung des Spinalkanals und traumatischem Querschnittssyndrom, wie sie häufig bei mehrfachverletzten Patienten vorkommen. Derartige Brüche können die Spezialisten des Universitätsklinikums Dresden heute überwiegend minimalinvasiv versorgen. Unter anderem verwenden die Chirurgen dafür spezielle Schrauben, die sie schonend durch die Haut an den seitlichen hinteren Anteilen der Wirbel – den Wirbelbogenpfeilern oder Pedikeln – einsetzen.
Intraoperative Kontrolle jederzeit möglich
Als weiteres minimalinvasives Verfahren nutzen die Wirbelsäulenspezialisten die Thorakoskopie: Dabei verwenden sie ein Endoskop, um über den Brustraum – Thorax – zum Rücken zu gelangen. Auf diese Weise kann eine große offene Operation vermieden werden. Zudem ist es dank moderner Bildgebungsverfahren, wie sie im neuen Operativen Zentrum vorhanden sind, möglich, an der oberen Halswirbelsäule, der Brustwirbelsäule und dem Kreuzbein über die Haut eingebrachte Implantate intraoperativ auf ihre korrekte Lage und Position zu kontrollieren. So können die Ärzte unmittelbar auf eventuelle Fehllagen reagieren. Dadurch lassen sich weitere postoperative Bildgebung und sekundäre Revisionseingriffe vermeiden. Um Operationen sicher zu planen und auszuführen, können intraoperativ gewonnene Datensätze mit denen der Magnetresonanztomographie oder der Positronen-Emissions-Tomographie zusammengeführt werden. Dazu tragen auch sechs Spezial-OP-Säle bei, die digital voll integriert sind. Diese vom Medizintechnik- und Medizininformatik-Spezialisten Brainlab geschaffene Vernetzung führt die Datenquellen unterschiedlicher Hersteller zusammen.
Navigationssteuerung minimiert Defektrisiko
Diese moderne Ausstattung ermöglicht es den Spezialisten des Universitätsklinikums Dresden, auch Tumore an der Wirbelsäule und dem Becken navigationsgestützt in höchster Präzision zu entfernen. Das erhöht die onkologische Sicherheit und reduziert gleichzeitig die Ausmaße der durch den Eingriff entstehenden Defekte sowie das Ausmaß OP-bedingter Defizite in der Beweglichkeit des Patienten. Auch vergleichsweise häufig auftretende degenerative Veränderungen wie beispielsweise Bandscheibenvorfälle, verengte Spinalkanäle und Wirbelgleiten können von den spezialisierten Chirurgen unter bestimmten Voraussetzungen minimalinvasiv-mikrochirurgisch oder auch endoskopisch versorgt werden, ohne dass es dabei zu nennenswerten Gewebeschäden kommt. Dank dieser schonenden Verfahren lässt sich unter anderem das Risiko einer Narbenbildung im Rückenmarkskanal ebenso minimieren wie die bei offenen Operationen auftretende Schädigung der Rückenmuskulatur.
Bestmögliche Zertifizierung
Die große Expertise der Experten am Universitätsklinikum zeigt sich in der Beurteilung der Arbeit. So wurde das Wirbelsäulenzentrum am Universitätsklinikum Dresden im September 2016 durch die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft als erstes seiner Art in Ostdeutschland mit der Versorgungsstufe – „Level 1“ – zertifiziert. Hier können Patienten mit sehr komplexen Therapien versorgt werden. Das Zentrum bündelt dafür die besonderen Expertisen der Orthopädie, Unfallchirurgie und Neurochirurgie des Dresdner Uniklinikums, die in der neuen Einrichtung gleichberechtigt und fachübergreifend zusammenarbeiten. Mit dem interdisziplinär ausgerichteten Spektrum dieses Zentrums, das von der Versorgung Schwerstverletzter über komplexe tumorchirurgische Eingriffe bis hin zu Operationen von schwerwiegenden Degenerationen sowie Verformungen der Wirbelsäule reicht und dabei auch alle Aspekte der nichtoperativen, konservativen Therapie anbietet, stellt das Universitätsklinikum Dresden erneut seine Kompetenz als führendes universitäres Krankenhaus der Maximalversorgung unter Beweis. Mit dem Operativen Zentrum bekommen diese Spezialisten eine hochmoderne Wirkungsstätte zum Ausbau der Expertise.
Expertise bei der Behandlung von Tumoren
Geleitet wird das neue Zentrum von Prof. Dr. Dr. Alexander Disch vom UniversitätsCentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie (OUC) sowie den Oberärzten Dr. Dino Podlesek und Dr. Furat Raslan aus der Klinik für Neurochirurgie. Insbesondere auf dem Gebiet der Rückenmarkstumore verfügt die Klinik für Neurochirurgie unter Leitung von Frau Prof. Dr. Gabriele Schackert über eine ausgewiesene Expertise. Eine weitere Expertise des Wirbelsäulenzentrums ist die chirurgische Versorgung von Patienten, deren Wirbelkörper von bestimmten Tumorformen befallen sind. Für sie besteht die Option, mehrere befallene Segmente am Stück zu entfernen und durch ein Wirbelkörperimplantat zu ersetzen. Gerade hierfür besitzen Prof. Dr. Dr. Alexander Disch und Prof. Dr. Kaus-Dieter Schaser, Ärztlicher Direktor des OUC, eine umfassende klinische und wissenschaftliche Erfahrung.
Kooperationen für bestmögliche Behandlung.
Gleiches gilt für Patienten, bei denen sich bereits Metastasen in den Wirbelkörpern abgesetzt haben. Auch diese lassen sich in Kombination mit einer Bestrahlungstherapie wirkungsvoll beseitigen. Das erhöht die Chancen, statisch-biomechanische Probleme sowie bestehende oder drohende neurologische Einschränkungen und Schmerzen zu vermeiden. Die zertifizierten Zentrumsstrukturen und die interdisziplinäre Expertise des Wirbelsäulenzentrums sind rund um die Uhr, also 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, über das ganze Jahr verfügbar. Der bestmögliche Behandlungserfolg wird sichergestellt durch die Zusammenarbeit mit anderen Zentren des Uniklinikums Dresden – unter anderem mit dem Universitäts KrebsCentrum, dem Universitäts SchmerzCentrum sowie dem überregionalen Traumazentrum, aber auch externen Kooperationspartnern wie der Reha-Klinik Bavaria Kreischa.
Text: UKD