Die Umsatzsteuerbefreiung heilkundlicher Leistungen

Alexander Heid­rich (Mitglied Standortleitung BDO AG Wirtschafts­prüfungs­­gesellschaft, Senior Manager, Steuerberater) / Foto: Ralf U. Heinrich
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Ein Lehrstück für die fehlende oder mangelhafte Umsetzung höchstrichterlicher Rechtsprechung durch die Finanzbehörden.

Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heil­praktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden, sind normalerweise umsatzsteuerfrei. Dies bestimmt § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG.

Die Finanzverwaltung fordert für die Umsatzsteuerbefreiung über die im Gesetz ausdrücklich genannten Voraussetzungen hinaus, dass die heilkundlichen Leistungen außerhalb von Kranken­häusern oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandeln­dem, z.B. in Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden. Sie beruft sich dabei auf ein schon älteres Urteil des Europäischen Ge­richtshofes (EuGH) aus 2003.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Rechtsauffassung wiederholt abgelehnt (Urteile vom 18.8.2011 und vom 5.11.2014). Die Finanzverwaltung hält gleichwohl an ihrer Rechtsauffassung mit der Begründung fest, dass der Bundesfinanzhof die Recht­sprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht korrekt im deutschen Recht anwende.

So hat z.B. der zuständige Referent einer Oberfinanzdirektion erst kürzlich darauf hingewiesen, dass „trotz wiederholter anderslautender Rechtsprechung die Finanzverwaltung – zu Recht – dem Grundsatz treu bleibe, dass für die Anwendung der Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG zwingend ein persönliches Ver­trauensverhältnis notwendig ist“.

Konsequenterweise werden niedergelassene Ärzte, die ihre heil­kundliche Tätigkeit z.B. in einem Krankenhaus ausüben und diese dem Krankenhaus in Rechnung stellen, damit konfrontiert, dass sie insoweit (zu 19%) umsatzsteuerpflichtig seien. Das Finanzgericht Hamburg hat zwischenzeitlich in einem Urteil vom 23.10.2013 dieser Meinung eine unmissverständliche Ableh­nung erteilt. Konkret ging es dabei um Umsätze eines Laborarztes, der Gewebeproben anderer Ärzte und/oder Kranken­häuser analysiert und befundet. Die Möglichkeit der Revision wurde den Finanzbehörden vom Finanzgericht Hamburg (angesichts der eindeutigen Rechtslage) nicht gewährt. Das Urteil ist rechtskräftig, wird aber über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet. Die Diskussion hält vielmehr unverändert (und unverdrossen) an.

Zwischenzeitlich musste sich das Finanzgericht Berlin-Branden­burg mit Urteil vom 10.11.2015 zum nunmehr wiederholten Male mit dieser Thematik befassen. Das Finanzgericht bestätigt die bisherige Rechtsprechung, was niemanden überraschen kann, und bestätigt konkret, dass die Leistungen eines nicht über eine eigene kassenärztliche Zulassung verfügenden Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik auch dann nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei sein können, wenn kein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient im konkreten umsatzsteuerlich zu beurteilenden Leistungsverhältnis besteht. Die gegenteilige Auffassung der Finanzbehörden wird ausdrücklich abgelehnt.

Weder die Wortlaute noch die Zielsetzungen und Systematik der gesetzlichen Regelungen noch die zur Auslegung heranziehbare Rechtsprechung des EuGH und des BFH rechtfertigen hiernach die von der Finanzverwaltung vertretene einengende Aus­legung der Gesetzesnorm unter Abstellen auf das Erfordernis eines persönlichen Vertrauensverhältnisses.

Das Urteil des FG Berlin-Brandenburg führt die bisherige Rechtsprechung des BFH konsequent weiter und weist im Übrigen die Übereinstimmung dieser Rechtsprechung mit der jüngeren Rechtsprechung des EuGH nach.

Die Finanzverwaltung wäre gut beraten, ihre gegenteilige Auffassung alsbald aufzugeben, um endlich eine gerichtskonforme und in sich nachvollziehbare Rechtsanwendung sicherzustellen. Darauf werden die Beteiligten aber wohl noch warten müssen. Denn die Finanzverwaltung hat sich dazu entschieden, immer noch nicht klein bei zu geben. Der BFH wird sich vielmehr demnächst erneut mit der Thematik befassen müssen. Denn auch gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg wurde ein Revisionsverfahren initiiert.

Erfreulich ist die Situation für die Betroffenen nicht. Schließ­lich müssen sie langwierige aufwendige Auseinander­setzungen mit der Finanzverwaltung führen.

BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
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Text: Alexander Heidrich

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