Zahnmedizin 4.0: Mit KI zu gesunden Zähnen

Dr. med. dent. Conrad Kühnöl / © KONVEX FOTOGRAFIE
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Wie Hightech die Zahnmedizin unkompliziert, voraussagbar und für alle bezahlbar macht.

Künstliche Intelligenz ist für Dr. med. dent. Conrad Kühnöl längst in den Alltag integriert. In seiner Praxis für innovative Zahnmedizin ist er immer auf dem neuesten Stand zahnmedizinischer Möglich­keiten. Sehr ambitioniert hält Dr. Kühnöl Vorlesungen an deutschen und internationalen Universitäten, bekam den Tagungs­bestpreis auf dem Deutschen Zahn­ärzte­tag und forscht zum Thema systemoptimierter digitaler Workflow in Zahnarzt­praxen. Wir besuchten Dr. Kühnöl in seiner High­tech-Zahnarztpraxis in Dresden und sprachen über die Unterschiede zwischen klassischer, digital konservativer und digital moderner Implanto­logie.

Welche Vorteile bieten Digitalisierung und KI in der modernen Zahnmedizin?
Seit den 2000er Jahren haben wir durch Digitalisierung und KI eine Automatisierung von Diagnostik, Monitoring und Therapie. Diese Industrialisierung 4.0 macht die Zahnmedizin effizienter, schmerzärmer und wirtschaftlicher, wovon sowohl Zahnärzte und Patienten als auch die Krankenkassen profitieren.

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Was bedeutet das genau im Praxisalltag?
Digital 4.0 bedeutet in der Zahnmedizin, dass Arbeitsprozesse automatisiert werden, weshalb weniger Personal erforderlich ist. Gleichzeitig werden sämtliche für die zahnmedizinische Be­hand­lung relevanten Daten eines Patienten in einem Daten­contai­ner gespeichert und sind so für zukünftige Prozesse jederzeit wieder abrufbar. Dadurch können Prozesse kontrolliert wiederholt werden, was wiederum viel Material einspart. Im Gegensatz zur traditionellen analogen Zahnmedizin entfallen vor allem bei komplexeren Fällen unzählige zeitaufwändige Zwischenschritte, die ansonsten von einem realen Zahnarzt, von Zahntechnikern und weiteren Mitarbeitern analog ausgeführt werden mussten. Um ein für den Patienten gutes Ergebnis zu erzielen, waren unzählige Arbeitsstunden, teures Material und viele Zwischenschritte und Behandlungstermine notwendig. Der gesamte Prozess konnte sich über Wochen oder sogar Monate hinziehen.

Können Sie das an einem konkreten Beispiel deutlich machen?
Nehmen wir das Beispiel Zahnimplantat. Bei der analogen Zahn­medizin wird beim ersten Termin in der Praxis ein Röntgenbild angefertigt und zunächst ein Kostenvoranschlag erstellt. Stimmt der Patient den Kosten zu, nimmt der Zahnarzt Abdrücke, die zum Zahntechniker gehen, der ein Planungsmodell herstellt. Es folgen weitere Termine, bei denen der Patient in die Praxis kommen muss, u.a. um die Dreidimensionalität des Knochens festzustellen und eine Implantat-Positionierungsschiene anzufertigen. Anschlie­ßend folgt oft ein chirurgischer Knochenaufbau. Meist sind zum Anfertigen einer Positionierungsschiene auch noch weitere Schritte notwendig. Ist die Einheilzeit vorüber, muss das Zahn­fleisch nochmals geöffnet werden, um es auszuformen. Dann ist ein weiterer Präzisionsabdruck nötig, und der Zahntechniker erstellt dafür einen individuell angefertigten Funktionslöffel – ein Einmalprodukt, das nur für diesen Fall verwendbar ist. Die Produktion von zwei weiteren Modellen erfolgt anschließend wieder im Labor. Auf deren Grundlage stellt der Zahntechniker dann zunächst ein Wachsmodell her, das im nächsten Schritt in ein Metall- oder Keramikgerüst überführt und mit einer weiteren Keramikschicht überzogen wird. Erst jetzt ist die eigentliche Krone bzw. Brücke fertig.

Was heißt das für den Patienten?
Weil es sich immer um ein Unikat handelt, sind nachträgliche Korrekturen nur sehr eingeschränkt möglich, eine Langzeit­testung unter realen Bedingungen kann kaum erfolgen. Die vielen Behandlungen führen beim Patienten zu einem hohen Missempfinden. Das Ergebnis am Ende ist akzeptabel, aber sehr teuer. Und je mehr Chirurgie und Zahntechnik zum Einsatz kommen, umso schlechter ist die Langzeitprognose.

Das klingt sehr kompliziert und extrem aufwändig. Wie läuft die Behandlung mittels Digital 4.0-Technik ab?
Beim ersten Termin in der Praxis fertigt ein Scanassistent ein 3D-Röntgenbild sowie einen Kieferscan an. Diese Daten werden dann mithilfe von KI gematcht und die fehlenden Zähne virtuell ersetzt. Es entsteht sozusagen ein digitaler Zwilling. Der Zahn­arzt kann darin nun die Implantate platzieren und mit nur einem Klick eine virtuelle Implantatpositio­nie­rungsschiene erstellen. Ist der Patient mit dem virtuellen Ergebnis und den Kosten einverstanden, druckt der 3D-Drucker die Schiene vollautomatisiert aus.

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Was ist der Vorteil?
Der große Vorteil dabei ist, dass der Behandler schon im Vorfeld anhand des digitalen Zwillings optimal planen kann, weshalb in ca. 80 Prozent der Fälle auf einen chirurgischen Eingriff zum Kno­chenaufbau verzichtet werden kann. Auch beim Ein­setzen der Implantate muss der Kiefer nicht aufgeschnitten werden, da das vorhandene Kno­chen­angebot und der Verlauf schützenswerter Struk­tu­ren wie Nerven und Kieferhöhle be­kannt sind. Der Patient sieht das mögliche Ergebnis im Vorfeld. Der Eingriff dauert dann nur wenige Minuten und ist für den Patien­ten viel schonender. Das Freile­gen der Implantate wie beim analogen Verfah­ren und ein Präzi­sion­s­ab­druck sind nicht nötig. Stattdessen wird der Kiefer nochmals eingescannt und es entstehen vollautomatisch virtuelle Modelle, mit auto­matischer Biss­simu­lation. Die eigentliche Brücke er­stellt der Zahn­techniker dann online, sie wird in Kunst­stoff gefräst oder gedruckt und dem Patienten probehalber eingesetzt. Ist er zu­frie­den, wird der Datensatz aus Keramik gefertigt. Die Langzeit­prognose für den Patien­ten ist deutlich besser.

Was bedeutet das für die Arbeit in der Praxis und für den Patienten?
Digital 4.0 erfordert viel weniger Zeit-, Mate­rial- und Arbeitsaufwand. Zum einen hält sich der Einsatz von Spezialmaschinen, die nur für einen Arbeitsgang gebraucht werden, in Grenzen. Zum anderen muss der Patient nicht ständig in die Praxis kommen, er leidet nicht so stark unter Missempfinden und wird vor allem finanziell weniger belastet. Das Ergebnis ist mindestens gleichwertig, meist jedoch höherwertig und außerdem reproduzierbar, weil der Patient das Endergebnis Langzeit testen kann und ein virtueller Datensatz vorhanden ist.

Warum rüsten dann immer noch nur sehr wenige Zahnärzte in Deutschland ihre Praxen auf die Digital 4.0-Technologie um?
Die meisten Zahnärzte haben vor einigen Jahren ihre Praxen auf Digital 3.0 umgestellt, was sehr teuer war. Dabei wurden viele Spezialmaschinen angeschafft, welche nur für einen speziellen Arbeitsgang benötigt werden. Zwar ist der Materialverbrauch auch hier etwas geringer und es sind weniger Sitzungen nötig, jedoch müssen Personalzeiten umgeschichtet werden. Am Beispiel des Implantats bedeutet das, dass auch 3D-Röntgenbilder und Kiefer­scans angefertigt werden, aber eine umfassende Diagnostik wie bei Digital 4.0 in Echtzeit nicht möglich ist. Für den Patienten kann das sehr teuer werden. Auch bei diesem Verfahren sind mehrere chirurgische Eingriffe notwendig. Und ähnlich wie in analoger Technik sind nachträgliche Korrekturen nur sehr eingeschränkt möglich, da es sich immer um ein Unikat handelt. Das Dental 4.0-Verfahren ist da viel effizienter.

Zahnarztpraxis Dr. med. dent. Conrad Kühnöl
Bayreuther Straße 30
01187 Dresden
Telefon: 0351 471 09 70
www.kuehnoel.de

Redaktion: Ute Nitzsche

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