ELBLANDKLINIKUM Meißen: „Ein Schlaganfall sucht sich seine Zeit nicht aus.“

© Cornelia Normann
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Die Klinik für Neurologie und Geriatrie am Elbland­klinikum in Meißen gibt es seit zehn Jahren. Was mit zehn Betten begann, hat sich zu einem umfassenden Versorgungsangebot für neurologische Patienten entwickelt. Im Interview mit dem Top Gesundheits­forum berichtet Chefarzt Prof. Dr. Martin Wolz von den Anfängen und wichtigen Meilensteinen und wie es gelingt, auch Notfallpatienten rund um die Uhr optimal zu betreuen.

Herr Prof. Wolz, wie ging es vor zehn Jahren los und was hat sich seitdem verändert?

Mitte 2011 bekam ich die Anfrage aus Meißen, dass hier eine neue Klinik für Neurologie errichtet werden soll. So habe ich zusammen mit drei Kolleginnen hier angefangen und die Klinik neu aufgebaut. Anfangs hatte ich nur einen Schreibtisch, ein Telefon und einen Computer. Gestartet sind wir mit zehn Betten, aktuell liegen wir bei ungefähr 60. In den letzten zehn Jahren haben hier insgesamt 49 Ärzte gearbeitet, 16 haben bei uns erfolgreich ihre Facharztausbildung absolviert, denn wir sind auch Ausbildungsklinik. Aktuell sind in der Klinik ca. zwanzig Kollegen ärztlich tätig.

Was zeichnet die Klinik aus?

Sie ist eine der größten akutneurologischen Kliniken in Ostsachsen und damit ein wichtiger Baustein in der Versorgung auf diesem Gebiet. Im Jahr haben wir ca. 2500 stationäre Behandlungsfälle. Wir decken das gesamte Spektrum der Neurologie ab, einschließlich der Schlaganfallversorgung, der neurologischen Intensivmedizin, der Neurogeriatrie und der Neuro­traumatologie. Weiterhin haben wir alles, was wir für die neurologische Diagnostik brauchen, hier im Haus. Die Klinik ist vollumfänglich und auf höchstem Niveau ausgestattet.

Seit Gründung der Klinik gab es einige Meilensteine. Welche waren das?

Die Stroke Unit als natürlich ein ganz wesentliches Element der neurologischen Klinik, sie wurde bereits im Jahr 2012 etabliert, seit dem mehrfach erweitert und wiederholt erfolgreich zertifiziert. Weiterhin ist es uns gelungen, einen Schwerpunkt für neurodegenerative Erkrankungen, insbesondere die Parkinson-Erkrankung, aufzubauen. Wir haben in diesem Bereich eine überregionale Bedeutung. Zu nennen ist hier insbesondere das 2018 gemeinsam mit der Uniklinik Dresden und der Fachklinik am Tharandter Wald in Hetzdorf gegründete Parkinson-Netzwerk Ostsachsen (PANOS), in welchem wir als eines der Zentren fungieren. Weitere Schwerpunkte sind die Neurogeriatrie und die neurologische Intensivmedizin.

Welche Vorteile bringen die Parkinson-Zentren?

Durch eine Vernetzung mit ambulanten fach- und hausärztlichen sowie nichtärztlichen Leistungserbringern, wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie ist es uns gelungen, flächendeckend eine spezialisierte Behandlungs-struktur für Parkinson-Patienten zu etablieren. Zukünftig planen wir, weitere Parkinson-Schwerpunktversorger, vor allem in den ländlichen Regionen Ostsachsens, aufzubauen.

Erhalten auch die Patienten in der neurologischen Klinik alle therapeutischen Angebote oder gilt das nur für das Parkinson-Zentrum?

Wir haben hier im Haus einen großen und bestens ausgestatteten Therapiebereich. Unsere Patienten erhalten alle therapeutischen Angebote. Gerade für Schlaganfall-Patienten beginnt praktisch mit der Diagnose schon die Reha­bilitation, sie bekommen intensive Ergo- und Physio­therapie sowie Logopädie. Wir haben zudem einen hervorragenden Sozialdienst und arbeiten eng mit unserer neurologischen ELBLAND Reha­klinik in Großenhain zusammen. Denn es ist wichtig, dass die Versorgung von Schlaganfall-Patienten sofort beginnt und dann nahtlos fortgeführt wird.

Neu ist die Gedächtnisambulanz. Was ist das?

Zusammen mit den Kollegen der Klinik für Psychiatrie am Elblandklinikum Radebeul konnten wir in diesem Jahr eine Gedächtnisambulanz neu etablieren, worüber ich mich besonders freue, denn aufgrund der demografischen Ent­­wicklung nehmen Demenzerkrankungen deutlich zu. Neuro­logen, Psycho­logen und Psychiater in einer Ver­sorgungseinheit integriert zu haben, fehlte bis jetzt in unserem Spektrum. Hinzu kommen Bildgebung und Labordiagnostik. Somit können Patien­ten mit einer Demenzerkrankung vollumfassend diagnostiziert und therapiert werden, wobei der Schwerpunkt der Ge­dächtnis­ambulanz auf der Diagnosestellung und der Ein­lei­tung der Be­handlung liegt.

Wie funktioniert der 24-stündige Notdienst?

Wir sind 24 Stunden rund um die Uhr für unsere Patienten da. Etwa 90 Prozent aller stationären Patienten kommen als Notfälle, ein großer Teil davon sind Schlag­anfall­patienten. Notfälle sind nicht planbar und aus diesem Grund müssen wir umfassende Notfallstrukturen vorhalten. Denn ein Schlaganfall zum Beispiel sucht sich seine Zeit nicht aus, wir müssen rund um die Uhr zur Verfügung stehen.

Es gibt Kooperationen mit anderen Kliniken, wie dem Uni­versitätsschlaganfall-Zentrum. Welche Vorteile bringt das für Ärzte und Patienten und wie sieht die Zusammenarbeit aus?

Das Neurovaskuläre Netzwerk Ostsachsen/ Südbrandenburg war eines der ersten in Deutschland, das als Schlaganfall-Netzwerk zertifiziert wurde. Hier arbeiten neben dem Universitätsschlaganfall-Zentrum in Dresden viele Klini­ken in Ostsachsen und Südbrandenburg telemedizinisch vernetzt eng zusammen. Das Netzwerk dient der optimalen Pa­tien­­ten­­versor­gung und Patientensteuerung. Dabei gibt es bestimmte Therapien, die nur an den großen Zentren angeboten werden, wie zum Bei­spiel die endovaskuläre Therapie – ein Ver­fahren, in dem mittels eines Katheters verschlossene Blut­gefä­ße wieder eröffnet werden. Das bedeutet, dass betreffende Patien­­ten nach Diagnose­stellung umgehend und ohne Zeitver­zug in ein Zen­trum verlegt werden, noch während wir mit den Kollegen Kon­takt aufnehmen und die Daten und Bilder dorthin übertragen werden. Das ist ein absoluter Benefit für unsere Patienten. Wir haben somit Zugriff auf die gesamte Exper­tise innerhalb des Netzwerkes und tauschen uns mit den Kollegen regelmäßig aus.

Wie ist denn das Ärzteteam zusammengesetzt und von welchen Benefits profitieren die Kollegen?

Wir sind ein junges Team, mit meinen 47 Jahren bin ich der Älteste hier in der Klinik („lacht“). Wir bieten flexible Arbeitszeitmodelle, Überstunden sind auf Grund der guten Struktur selten und werden dann entsprechend vergütet. Und Homeoffice gab es bei uns übrigens bereits vor der Corona-Pandemie, denn als Klinikum sind wir schon länger komplett digitalisiert – eine Grundvoraussetzung hierfür. Die jungen Kollegen profitieren von flachen Hierarchien, einer strukturierten Aus- und Weiterbildung sowie einem hohen Zusammen­halt im Team. Nicht zuletzt sind auch die hervorragenden Anbin­dungen an den öffentlichen Nahverkehr im Großraum Dresden sowie die schöne Lage im Elbtal Argumente, gern in unserer Klinik zu arbeiten.

Gibt es schon Pläne für die Zukunft?

Ich glaube, der wesentliche Plan liegt in der Notwendigkeit der Umstrukturierung des Gesundheitssystems. Das ist die entscheidende Herausforderung. Wir haben eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt und trotzdem oft den Eindruck, dass das nicht alles richtig funktioniert. Ich wünsche mir an dieser Stelle mehr Verantwortung von der Politik. Es muss einen gesellschaftlichen Dialog darüber geben, was wir bereit sind, für Gesundheit bezahlen zu wollen. Wir haben großes Potenzial, wenn wir Dinge anders aufstellen. Aus meiner Sicht gehört dazu insbesondere die Abschaffung der sektoralen Tren­nung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung: Fach­ärzte gehören in ambulante Gesund­heits­zentren an Kliniken und müssen dort in ein Gesamt­konzept aus ambulanter und stationärer Behandlung eingebunden sein, das kann ich nur immer wieder betonen. Aber es bewegt sich bereits etwas in die richtige Richtung.

Interview: Ute Nitzsche

© Elblandklinikum Meißen

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