Von der Fibula zur Mandibula – mehr als nur ein Wortspiel

Prof. Dr. Dr. Günter Lauer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Ulrich Lippke
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Das Team der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie um Klinikdirektor Prof. Dr. Dr. Günter Lauer kann im neuen OP-Zentrum im Haus 32 auf die neuesten Geräte der computerassistierten OP-Navigation zurückgreifen. Für die Versorgung von Unfallopfern, für Tumoroperationen, Kieferverlagerungen und Fehlbildungseingriffe nutzen die Chirurgen innovative Bildgebungsverfahren der modernen OP-Aus­stattung. Damit lassen sich Eingriffe besser planen, was sich auf deren Dauer ebenso positiv auswirkt wie auf das ästhetische Ergebnis.

Die neuen OP-Säle von Haus 32 sind so ausgestattet, dass die Experten der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) das gesamte operative Spektrum ihres Fachbereichs anbieten können. Das OP-Programm enthält u.a. komplexe Tumor­operationen, die bis zu zwölf Stunden dauern können. Das Team der MKG bietet aber auch Kieferverlagerungs­ein­griffe, Operationen nach Verletzungen des Gesichtsschädels sowie den kompletten Bereich der Fehlbildungschirurgie, und hier insbesondere die Therapie von Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel­spalten an. „Im neuen OP-Saal haben wir bessere apparative Voraussetzungen“, erklärt Prof. Dr. Dr. Günter Lauer, Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. So gehört die Mikrochirurgie gerade bei Tumoroperationen zu den Routineverfahren. Unter einem hochleistungsfähigen Opera­tions­mikroskop ist es beispielsweise möglich, körpereigenes Gewebe zu transplantieren, bei dem feinste Blutgefäße und Nerven zusammengefügt werden müssen.

Beckenkamm oder Wadenbein als Kieferersatz

Bei Tumorerkrankungen oder Unfällen kann es vorkommen, dass große Teile des Oberkiefers und Unterkiefers und des umliegenden Weichgewebes also des Gesichts ersetzt werden müssen. Als Transplantat, das sowohl Knochen als auch Weichgewebe ersetzt, kommt dann z.B. das Wadenbein in Betracht. Es muss allerdings in die Form des Kiefers gebracht werden. Dazu nutzen die Chirurgen CADCAM-gefertigte Schnitt­schablonen und Platten, die individuell nach den CT-Bildern des Patienten hergestellt werden. Nach einer kurzen Erho­lungs­zeit kann der Patient alle ihm vertrauten Bewe­gungs­akti­vi­täten wiederaufnehmen. Eignet sich das Waden­bein nicht, lässt sich auch der Beckenkamm als Ersatz­knochen für den Kiefer nutzen.

Die häufigsten Tumore im Bereich der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie finden sich in der Mundhöhle. Betrachtet man das bösartige Gewebe unter dem Mikroskop, handelt es sich meist um Plattenepithelzellen der Mundschleimhaut, weswegen man von einem Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle spricht.

Prof. Dr. Dr. Lauer kann im neuen Operativen Zentrum hochmoderne Bildgebungsverfahren bei der Operation der Patienten nutzen. / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Ulrich Lippke

Hohe Präzision dank computerassistierter Navigation

Neben hergebrachten Operationsmethoden spielt auch die computer­assistierte Operationsnavigation in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie schon seit längerem eine immer größere Rolle. Auch Klinikdirektor Prof. Dr. Dr. Günter Lauer vertraut auf diese Technik, da sie komplexe operative Eingriffe mit einem hohen Maß an Sicherheit und Präzision ermöglicht. Dabei kommt die Technik besonders bei der Ver­sorgung komplizierter Mittelgesichtsfrakturen zur Anwen­dung. Im neuen Operationssaal im operativen Zentrum stehen dem Ärzteteam nun Navigationssysteme auf dem aktuellsten Stand der Technik zur Verfügung. Sowohl die Daten­ver­arbeitung und Instrumentensteuerung während der Opera­tion als auch die virtuelle Planung bereits im Vorfeld des Eingriffs funktionieren dadurch noch schneller. Wie erwähnt, ist es somit beispielsweise möglich, für Kiefer- und Orbita­rekonstruktionen individuelle Implantate aus Titan und auch Sägeschablonen für Knochentransplantate anfertigen zu lassen. Somit ist auch die genaue Anpassung an die Form der Gesichtsschädelknochen möglich und die konturidentische Wiederherstellung des Gesichts gewährleistet.

Innovative Bildgebung

Seit jüngster Zeit stützen sich die Dresdner MKG-Chirurgen im OP-Saal auf ein sogenanntes Digitales Volumen­tomo­gra­phie-Gerät für die Bildgebung. Bei diesem speziellen Rönt­gen­gerät dreht sich die Röhre um den Kopf des Patienten und erlaubt die dreidimensionale Darstellung kleinster Knochen­strukturen, ähnlich wie beim Computertomographen. Der Vorteil ist aber, dass die Patienten einer wesentlich geringeren Strahlen­be­lastung ausgesetzt sind als beim CT. Gerade die mobile Aus­führung zeigt im Rahmen der Versorgung von Frakturen der Orbita und des Kiefergelenks ihre großen Vorteile. Das OP-Ergebnis wird schon während der Operation begutachtet und falls erforderlich, können Korrekturen sofort vorgenommen werden.

Neue Möglichkeiten

Die Ausstattung mit einem Digitalen Volumentomographen (DVT) ist in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie noch keineswegs üblich, obwohl die Vorteile auf der Hand liegen. Auch wenn diese Bildgebungstechnologie im zahnärztlichen Bereich schon weit verbreitet ist, stellt gerade diese mobile Variante des DVT, die dem Team von Prof. Dr. Dr. Günter Lauer zur Verfügung steht, noch eine Innovation dar und wird auch im Haus 32 von der MKG-Chirurgie angewendet werden. Insofern kann die Klinik auch in diesem Fall auf den neuesten Stand der Medizintechnik bauen. Prof. Dr. Dr. Günter Lauer erhofft sich vom neuen operativen Zentrum im Haus 32 auch die Nutzung des intraoperativen Magnetresonanztomographen, zumal dessen Bildgebung besonders bei Tumoren und komplexen Mittelgesichtstraumen äußerst hilfreich sein kann. Gerade in Kombination mit der computergestützten Navigation dürften die MRT-Bilder komplexe Operationen erleichtern. „Diese Ausstattung dürfte Möglichkeiten eröffnen, von denen wir Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen heute noch träumen“, sagt Prof. Dr. Dr. Günter Lauer. Eine mittelfristige Weiter­entwicklung verspricht sich der Mediziner durch das neue OP-Zentrum auch im Bereich der intraoperativen Strahlen­therapie, wo das Tumorlager nebenwirkungsarm bestrahlt werden kann.

Das Team der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Operationssaal verwendet computergestützte Navigation bei einer Orbitarekonstruktion. / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Ulrich Lippke

Führende Klinik in Ostsachsen

In den letzten Jahren verzeichnen Prof. Dr. Dr. Günter Lauer und sein Team sowohl bei den Tumoroperationen als auch bei den Fehlbildungen einen Anstieg der Patientenzahlen. In beiden Bereichen ist die Klinik in Sachsen führend. Bei der Versorgung von Unfallopfern hält die Klinik insbesondere bei Eingriffen in der Kiefergelenkschirurgie sogar ein Alleinstellungsmerkmal. Das Pflegeteam der hochspezialisierten Klinik kümmert sich auf ihrer Station um Patienten in maximal 24 Betten. „Ich habe ein sehr gutes Team. Die Kollegen gehen dabei äußerst sensibel mit den Patienten um und mit den teilweise verheerenden Krankheits­bildern in unserem Fachbereich“, sagt Prof. Dr. Dr. Günter Lauer. Als weiteres Beispiel für die optimale interdisziplinäre Betreuung führt Prof. Dr. Dr. Günter Lauer die Behandlung von Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten am Dresdner Spaltzentrum an. Neben den beiden Operationen (Lippenverschluss, Gaumen­ver­schluss) im ersten Lebensjahr – die Mund-Kiefer-Gesichts­chirurgie führt hier 60 Operationen im Jahr durch – garantiert die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit HNO-Heilkunde, Phonia­trie und Pädaudiologie, Kieferorthopädie und Logopädie, dass sich Funk­tionen, wie Ernährung, Sprache, Gehör und auch die Ästhetik während des Wachstums normal entwickeln. Pro Jahr werden hier über 300 Fälle in der Dresdner Spaltsprechstunde gemeinsam interdisziplinär begleitet.                                                                     

Text: Philipp Demankowski

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