Schnittstelle zur Zukunft

Prof. Dr. Ralf-Thorsten Hoffmann, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Dresden / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Thomas Albrecht
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Prof. Dr. Ralf-Thorsten Hoffmann ist einer der führenden Radiologie-Experten in Europa. Vor vier Monaten wurde er zum Direktor des Instituts und der Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie berufen. Top-Magazin sprach mit ihm über das Erreichte und die Herausforderungen der Zukunft.

Ihre Berufung zum Direktor der Radiologie des Uni­versitätsklinikums ging mit Ihrer Ablehnung eines Angebots der Technischen Universität München (LMU) und des Klinikums rechts der Isar einher. Weshalb haben Sie sich für Dresden entschieden?

Prof. Dr. Hoffmann: Ein Grund ist, dass in Dresden prinzipiell die Wege kürzer sind. Man hat eine viel bessere Vernetzung mit den anderen Chefärzten und den kooperierenden Abteilun­gen. Am Uniklinikum ist alles sehr modern, hier sind viele progressive Chefärzte, mit denen man gemeinsam etwas bewegen kann und möchte.

Ein weiterer Grund ist die Führung des Klinikums, die ich für hoch professionell halte. Auch zu den Vorständen sind die Wege kurz, man kann bei Bedarf direkt über Probleme und Ideen sprechen. Und man bekommt dann auch schnell eine Entscheidung, wie es weitergeht. Das habe ich vorher an der LMU nicht so erlebt. Da war die Entscheidungsfindung bei weitem zäher und langwieriger als sie hier ist.

Noch ein Grund ist natürlich, dass hier in Dresden mit dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) und der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Krebsforschungs­zen­trum eine hervorragende Basis besteht. Mit dieser Koope­ration haben wir extrem gute Möglichkeiten für die gemeinsame Forschung und Arbeit mit weiteren großen Tumor­zentren.

Last but not least müssen wir uns hier in Dresden weder von der Personalsituation ärztlicherseits noch von der ­Groß­geräte­ausstattung der Radiologie vor anderen deutschen Universitäten verstecken. Nicht umsonst sind wir Teil einer Exzellenzuniversität und im Focusranking immer unter den besten drei Kliniken in Deutschland.

Und dann gefällt es meiner Familie hier in Dresden ausgesprochen gut. Wir fühlen uns zu Hause. Ich bin nun seit über sieben Jahren hier, beide Kinder sind gebürtige Dresdne­rinnen – uns hätte es einfach leidgetan, Dresden zu verlassen.

Prof. Dr. Ralf-Thorsten Hoffmann, Direktor des Instituts und der Poliklinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Dresden / Foto: Universitätsklinikum Dresden/Thomas Albrecht

Seit Sie 2011 als stellvertretender Direktor des Instituts nach Dresden gekommen sind, haben Sie sich der Weiter­entwick­lung der Radiologie gewidmet. Was ist in dieser Zeit geschehen?

Ich bin ursprünglich als Professor für Inter­ventionsradiologie hierhergekommen: Das sind alle Eingriffe unter Röntgenstrahlen und insbesondere die Tumor­inter­vention, die ich hier ganz massiv vorangetrieben habe. Zusammen mit den Kollegen aus der Nuklearmedizin haben wir hier die SIRT, die Selektive Interne Radiotherapie, eingeführt. Das ist ein spezielles Verfahren, bei dem radioaktive Teilchen in die Leber eingebracht werden, also die Leber von innen bestrahlt wird.

Weltweit sind wir die einzigen, die alle drei am Markt be­findlichen Produkte in der klinischen Routine einsetzen. Mit Ho166 beladenen Partikeln ist im letzten Jahr ein spezieller Strahler neu auf den Markt gekommen, den wir weltweit erstmals außerhalb einer Studie eingesetzt haben und wir bislang die Klinik mit der meisten Erfahrung sind – weswegen wir jetzt auch die ersten Publikationen vorbereiten. Neben der modernen minimalinvasiven Tumortherapie ist aber auch die die gesamte interventionell radiologische Gefäßtherapie eines meiner Steckenpferde, und auch diese Methode habe ich in enger Kooperation mit den Kollegen des Gefäß­zen­trums in großem Umfang aufgebaut. Ich habe sehr viele junge Leute für diesen Bereich ausgebildet, von denen alle dem Uniklinikum Dresden die Treue gehalten haben.

Und neben diesem sehr speziellen Part der Radiologie ist das Tolle an meinem Fachgebiet, dass die Radiologie eine Schnittstelle und ein Netzwerk zwischen den einzelnen Fach­disziplinen darstellt. Wir arbeiten nicht exklusiv mit einzelnen Fachgebieten wie mit der Onkologie oder Gefäß­medi­zin zusammen, sondern versorgen alle medizinischen Diszi­plinen von A wie Augenheilkunde bis Z wie Zahn­medi­zin mit hochwertiger Bildgebung, Diagnostik und minimalinvasiven Eingriffen.

Vor welchen Herausforderungen steht die Radiologie in der Zukunft?

Auf der Interventionsseite wird die Arbeit immer mehr über Navigation gehen. Es wird zunehmend leichter, Tumore zu behandeln, einfach weil wir bessere Navi­gationssysteme haben, die uns zeigen, wohin im Körper wir müssen. Das schließt die Robotik ein, da wird zum Beispiel ein Roboterarm eine Nadel positionieren und platzieren, sodass wir überhaupt nichts mehr mit der Strahlung zu tun haben. Und auch die gesamte Planung geht immer mehr in Richtung virtuelle Realität; mit 3-D-Darstellungen, mit Hilfe von VR-Brillen wird sich der Arzt sehr viel besser vorstellen können, wo ein Tumor liegt. Das wird in sehr enger Zusam­menarbeit mit den chirurgischen Disziplinen geschehen, die ja ebenfalls unsere Bilder nutzen, um navigiert operieren zu können.

Und die Zukunft wird auch das bringen: Bei der modernen Schnittbildgebung muss der Radiologe pro Patient mehrere Hundert Bilder zum Beispiel von Brust- und Bauchraum einzeln durchsehen und bewerten. Und daher wird in der gesamten Diagnostik immer mehr Künstliche Intelligenz zum Tragen kommen. 15, 20 Jahre in der Zukunft wird es ein Rechner übernehmen, CT-Bilder erst einmal vorab zu scannen und dem Radiologen der Zukunft auffällige Befunde zu zeigen, die dieser dann bewertet. Das Schlagwort ist hier Big Data, basiert auf selbstlernender Software, die sich quasi anhand von hunderttausenden Untersuchungen beibringt, was auf einem Bild normal und was ungewöhnlich ist und darauf hinweist. Das macht den Radio­logen nicht überflüssig, wie von manchen gefürchtet, sondern er wird massiv in seinem Tun unterstützt.

Wird das auch die Strahlenbelastung für die Patienten senken?

Naja, das Röntgen ist nun mal mit Strahlung verbunden, anders geht es physikalisch nicht. Aber auch da gehen die Lösungen immer mehr in Richtung geringere Belastung. Wir haben z.B. hier eine Angiographieanlage, bei der nur noch 50 Prozent der Strahlung im Vergleich zu einer 10 Jahre älteren Angiographieanlage benötigt werden, für letzt­endlich bessere Diagnostik. Kurz gesagt, mehr Infor­ma­tionen mit weniger Strahlen.

Und wie gefährlich ist die Strahlenbelastung für die Ärzte?

Für die Diagnostik ist es ungefährlich, man ist ja nicht mit dem Patienten im Gerät. Aber bei der Inter­vention ist das anders, da steht man unmittelbar am Patien­ten. Das ist sicherlich ein Problem, weil man diese Exposition ja ein Berufsleben lang hat. Für den Patienten ist es nur eine Momentaufnahme, er hat vielleicht ein oder zwei Eingriffe. Wir schützen uns natürlich mit Bleikleidung und anderen Schutzmaßnahmen, aber da greift das, was ich vorhin gesagt habe. Durch Navigationssysteme in Kombination mit Robotik wird es immer mehr dahin gehen, dass man als Radiologe so gut wie keiner Strahlung mehr ausgesetzt ist.

Wie sind Sie zur Radiologie gekommen?

Ursprünglich wollte ich der klassische Haus- und Landarzt werden, so richtig von der Wiege bis zur Bahre. Ich hatte dann aber während des Medizinstudiums in Er­langen tolle Radiologievorlesungen. Daher habe ich dann Famu­laturen und einen Teil des praktischen Jahres dort gemacht. Und während einer Famulatur bin ich per Zufall auf die Interventionsradiologie gestoßen. Bis dahin war mir gar nicht bewusst, dass die Radiologen so viel interventionell machen und Patienten behandeln – und das hat den Aus­schlag gegeben, mich für die Radiologie zu entscheiden.

Und in Sachen Diagnostik arbeite ich auch mit so vielen Ärzten anderer Fachdisziplinen zusammen, mit chirurgischen Disziplinen und der inneren Medizin, aber auch mit Kieferchirurgen, mit HNO-Ärzten, Augenärzten, mit der Nephrologie, Nuklearmedizin usw. Ich finde, dass unser Job extrem spannend ist und habe meine Entscheidung für eine Laufbahn in der Radiologie nie bereut!         

Interview: Uta Wiedemann

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