Avatare bereichern das Familienleben

(v.l.n.r.) Frank Ohi, Kaufmännischer Vorstand des Uniklinikums; Ingo Schulz und Sven Graser (Paulis Momente), Lianes Eltern, Dr. Silke Nolte-Buchholtz sowie Dr. Maria Janisch vom Sächsischen Kinderpalliativzentrum.. Foto: Uniklinikum Dresden / Michael Kretschmar
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Der Leipziger Verein „Paulis Momente“ übergibt dem Sächsischem Kinderpalliativzentrum drei neue Geräte. Die moderne Übertragungstechnik ermöglicht Teilhabe von schwerst erkrankten Kindern und Jugendlichen.

Das Team des Sächsischen Kinderpalliativzentrums am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden unterstützt Familien mit palliativmedizinisch zu versorgenden Kindern beziehungsweise Jugendlichen künftig mit High-Tech: Dank einer Spende des Leipziger Vereins „Paulis Momente“ stehen dem Zentrum seit dem Frühjahr drei so genannte Telepräsenz-Avatare mit den dazugehörigen Tablet-PC zur Verfügung. Die Geräte können überall dort platziert werden, wo die Patientinnen und Patienten aufgrund ihrer Erkrankung nicht sein können. Die Avatare lassen sich über eine App fernsteuern, so dass die Erkrankten nicht passiv bleiben, sondern über das Gerät sprechen und den Blickwinkel ändern können. Auch Stimmung und körperliche Verfassung lassen sich über den Avatar mitteilen.

„Viele der von uns versorgten Kinder und Jugendlichen leiden sehr darunter, dass sie krankheitsbedingt auf viele soziale Kontakte verzichten müssen. Die Avatare ermöglichen ihnen nun in vielen Situationen eine Teilhabe“, sagt Dr. Silke Nolte-Buchholtz. „Mit diesen Erlebnissen erfahren sie, dass sich nicht alles um ihre Erkrankungen und die damit verbundenen Einschränkungen dreht“, so die Leiterin des Sächsischen Kinderpalliativzentrums. Die vom Avatar ermöglichte Teilhabe an ganz alltäglichen Situationen hellt häufig die Stimmung der Kinder und Jugendlichen auf, was dazu beiträgt, besser mit den Limitierungen und Belastungen wie beispielsweise Schmerz umzugehen. „Die Kinder finden den Avatar großartig“, sagt Dr. Maria Janisch, „das Gerät gibt dem Leben unserer Patientinnen und Patienten Facetten zurück oder öffnet sogar neue“, fährt die Leiterin des psychosozialen Bereichs am Sächsischen Kinderpalliativzentrum fort.

„Der verlorene Kampf meines Sohnes gegen den Krebs sollte mir damals Kraft geben, mehr aus meinem Leben zu machen. So gründete ich 2014 den gemeinnützigen Verein, der den Namen meines Sohnes Paul trägt. Seitdem engagieren sich sehr viele Menschen gemeinsam mit mir für schwer, komplex chronisch und lebensverkürzt erkrankte Kinder und Jugendliche sowie deren Familien“, sagt Sven Graser, Gründer und Vorsitzender des „Paulis Momente e.V.“. „Es macht mich stolz, zu sehen, wie viel wir gemeinsam mit unseren Projekten erreichen können. Der Grund dafür sind unsere Unterstützerinnen und Unterstützer, ohne die wir niemals so weit gekommen wären und denen wir sehr dankbar sind. Besonders wichtig ist es uns dabei, niemals stillzustehen und sich selbst auch kontinuierlich weiterzuentwickeln. Dazu gehört nicht nur die nachhaltige Umsetzung unserer Projekte, sondern auch, sich neuen Projekten zu öffnen. Jüngstes Beispiel dafür, wie sich Projekte schnell und erfolgreich umsetzen lassen, ist die Anwendung der Avatare in unterschiedlichen Einsatzfeldern.“

„Der Einsatz der Avatare in der Palliativversorgung zeigt das große Potenzial neuer Technologien. Auch wenn die positiven Effekte der Avatare noch nicht abschließend wissenschaftlich belegt sind, ist der Einsatz zweifellos sinnvoll. Allerdings können die Krankenversicherungen den Einsatz der Geräte deshalb noch nicht finanzieren“, sagt Frank Ohi. „Um solche Innovationen dennoch in die Krankenversorgung einbringen zu können, ist bürgerliches Engagement – hier in Form einer Spendensammlung – unabdingbar. Wir danken deshalb dem Leipziger Verein ‚Paulis Momente‘ für sein Engagement und die fünfstellige Summe zum Kauf von drei Avataren und zur Finanzierung des auf fünf Jahre angelegten Supports“, erklärt der Kaufmännische Vorstand weiter, der zugleich Vorstandsmitglied der Stiftung Hochschulmedizin Dresden ist, die die Spende des Vereins entgegennahm und gemäß dem vorgegebenen Zweck weiterleitete.

© Uniklinikum Dresden / Michael Kretschmar

Die knapp 30 Zentimeter hohen und etwa 1,5 Kilogramm schweren Avatare können fast überall dort eingesetzt werden, wo sich üblicherweise Kinder und Jugendliche aufhalten. Ursprünglich wurde das Gerät für den Einsatz im Klassenzimmer entwickelt, um erkrankten Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, auch von zuhause am Unterricht teilzunehmen. Damit lassen sich die Zeiten krankheitsbedingter Abwesenheiten deutlich reduzieren und die weitere schulische Entwicklung fördern. Das Team des Sächsischen Kinderpalliativzentrums kam auf die Idee, Kindern sowie Jugendlichen mit unheilbaren und lebenslimitierenden Erkrankungen die Avatare mit dem Ziel anzubieten, ihnen eine bessere Teilhabe am Alltagsleben zu eröffnen.

Das in Schweden entwickelte Gerät in Form eines Oberkörpers mit Kopf ist deutlich mehr als eine bewegliche Videokamera. Der Avatar wird von den Patientinnen und Patienten über ein Tablet-PC gesteuert und lässt sich gezielt in die gewünschte Richtung drehen. Selbstverständlich ist ein gegenseitiges Hören, Sehen und Sprechen möglich. Eine weitere Stärke des Avatars ist seine Mimik. Die Formen der Augen sowie die Farbe des Körpers zeigen deutlich, ob der Nutzende fröhlich und wach, vom vielen Erlebten erschöpft ist oder traurige Momente durchlebt. Sofern Mobilfunksignale oder ein WLAN verfügbar sind, kann der Avatar uneingeschränkt genutzt werden.

Das Team des Sächsischen Kinderpalliativzentrum hat die drei Avatare bereits mehreren Familien angeboten. Die Resonanz ist sehr positiv. Die Geräte wurden Ostern zur Eiersuche jenseits der für Rollstühle geeigneten Wege ebenso eingesetzt wie bei langen Fernsehabenden oder als Begleiter auf längeren Autofahrten. Geschätzt wurde der Avatar auch als ständiger Gast an der Familientafel und bei Verwandtenbesuchen. Noch nicht erfüllt hat sich der Wunsch nach einem Einkaufsbummel, um beispielsweise zu sehen, welche Schmink-Styles gerade die Kosmetikläden erobern.

Informationen zum Sächsischen Kinderpalliativzentrum
Ziel des sachsenweit arbeitenden Zentrums ist es, häufiger von der häuslichen in die stationäre Versorgung pendelnden Kindern und Jugendlichen mit lebenslimitierenden Erkrankungen rund um die Uhr qualifiziert beraten und unterstützen zu können. Basis für die Arbeit des Zentrums sind die Erfahrungen aus dem erfolgreichen Aufbau einer flächendeckenden, ambulanten Kinderpalliativversorgung in Sachsen. Hierbei kristallisierte sich zunehmend heraus, dass es auch Handlungsbedarf in den stationären Bereichen der wohnortnahen Krankenhäuser gab. Nun füllt ein aus Pädiaterinnen und Pädiatern, Pflegenden und psychosozialen Mitarbeitenden bestehendes Team die Lücke und bietet diesen Kinderkliniken Beratung, Unterstützung, Begleitung und Weiterbildung an. Aktuell besteht das Team des Zentrums aus fünf pädiatrisch tätigen Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen mit der Zusatzbezeichnung Palliativmedizin, fünf Kinderkrankenpflegekräften sowie zwei Sozialpädagoginnen mit der Weiterbildung Pädiatrische Palliative Care und eine administrative Assistentin.

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